Flüchtlinge - Legale Auswanderung ist für Äthiopier tabu
Addis Abeba (APA) - Die äthiopische Wirtschaft ist zwar eine der am besten florierenden in ganz Afrika, trotzdem wandern jährlich tausende Ä...
Addis Abeba (APA) - Die äthiopische Wirtschaft ist zwar eine der am besten florierenden in ganz Afrika, trotzdem wandern jährlich tausende Äthiopier - in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen - aus. Sie fliehen nach Europa, Saudi-Arabien oder Südafrika. Illegal, denn die legale Arbeitsmigration hat die Regierung verboten. Aber Äthiopien ist auch Zielland vieler Menschen aus der Region.
Derzeit beherbergt das ostafrikanische Land mit einer Bevölkerung von über 94 Millionen Menschen rund 750.000 Flüchtlinge, Tendenz steigend. Äthiopien ist damit das Land mit der größten Flüchtlingspopulation in Afrika. Für seine Open-Door-Politik gegenüber Flüchtlingen erhält das Land große Anerkennung. Überwiegend stammen die Migranten aus den angrenzenden Nachbarländern - dem Südsudan, Eritrea und Somalia. Die politische Lage am Horn von Afrika ist instabil.
Die Flüchtlingssituation hat einen riesigen Einfluss auf Äthiopien, sagt Richard Barno von der regionalen Organisation IGAD (Intergovernmental Authority on Development). In Kenia seien die Auswirkungen ein „kompletter Albtraum“ gewesen, so Barno. Dort befinden sich derzeit aber nur halb soviele Flüchtlinge wie in Äthiopien. Fest stehe, dass sich die Flüchtlingsbewegungen „negativ auf die ohnehin schon knappen Ressourcen im Land“ auswirken. Die Sicherheitslage in den Nachbarländern - vor allem im Sudan und in Eritrea - würde zudem direkt die Stabilität in Äthiopien beeinflussen.
Deshalb, aber auch, weil Äthiopien selbst eines der ärmsten Länder der Welt ist - 30 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar pro Tag - und viele oft keine Perspektive in ihrem Heimatland haben, verlassen viele Äthiopier ihre Heimat. Und das, obwohl die äthiopische Regierung ihren Bürgern verboten hat, legal auszuwandern. Hintergrund ist die Arbeitsmigration, vor allem nach Saudi-Arabien, wo viele Äthiopierinnen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Seit 2013 existiert deshalb das Gesetz, mit dem der von den Menschenhändlern angefachten „Massenflucht“ ein Riegel vorgeschoben werden soll.
Von „Massenflucht“ kann allerdings nicht die Rede sein - Richtung Osten zieht es jährlich etwa 100.000 Äthiopier. Offizielle Zahlen gibt es freilich keine, da es ja auch keine legale Auswanderung gibt. In Österreich haben im Jahr 2013 nur 20 Äthiopier einen Asylantrag gestellt. Aus Eritrea waren es 59. Auch 2014 zählte Äthiopien nicht zu den 15 wichtigsten Herkunftsländern. Wie der österreichische Botschafter in Äthiopien, Andreas Melan, im Gespräch mit der APA erklärte, geben sich aber viele Äthiopier als Eritreer aus - diese haben in der Regel eine bessere Chance auf Anerkennung von Asyl. „Als Äthiopier bekommt man eigentlich nur Asyl als Oppositionspolitiker, wenn man homosexuell ist oder nachweisen kann, dass man verfolgt wird“, erklärt Melan. Auch kritische Journalisten flüchten oft ins Ausland. Die eritreische Community in Österreich ist sehr klein, traditionell ist die Zahl der Asylanträge aus Eritrea in der Schweiz relativ hoch. „Wir glauben, dass von den Eritreern in Europa 30 bis 40 Prozent Äthiopier sind“, so der Botschafter.
Neben Europa und dem Nahen Osten ist auch die Route nach Südafrika eine beliebte bei äthiopischen Migranten. Diese ist allerdings am wenigsten erforscht, so Maria Temesvari von der UNO-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Addis Abeba. Egal in welche Richtung - die äthiopische Regierung will nicht nur die legale, sondern auch die illegale Migration eindämmen und geht deshalb seit einigen Monaten auch verstärkt gegen Schlepper vor. Im Juli wurde ein Gesetz verabschiedet, dass die Strafen für Menschenschmuggler massiv erhöht. „Das geht hin bis zur Todesstrafe“, so Temesvari. Gleichzeitig versuche die Regierung auch, bessere Lebensbedingungen für die Bevölkerung zu schaffen, um die Gründe für die Flucht gar nicht erst entstehen zu lassen. Aus diesem Grund unterstützt auch die Austrian Development Agency (ADA) Projekte in diesem Bereich.
Um Migration und vor allem Rücknahmeabkommen (Rückführung von Flüchtlingen in Herkunftsländer) soll es auch beim EU-Afrika-Gipfel Anfang November in Malta gehen.