„Tage und Werke“: Peter Handkes „Begleitschreiben“ zur Literatur
Wien (APA) - Die Welt braucht mehr ernste Leser. Dieser Überzeugung ist Peter Handke. Sein neues Buch „Tage und Werke“, das seine im Lauf vo...
Wien (APA) - Die Welt braucht mehr ernste Leser. Dieser Überzeugung ist Peter Handke. Sein neues Buch „Tage und Werke“, das seine im Lauf von über 50 Jahren verfassten „Begleitschreiben“ zu Büchern und Autoren versammelt, kann daher als Werbung gelesen werden, als Plädoyer für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ernsthafter Literatur.
Konrad Bayer und Florjan Lipus, Friederike Mayröcker und Stefan Zweig, Henry David Thoreau und Dragan Velikic - Handkes Auseinandersetzung mit dem Werk von Kollegen folgt keinem herkömmlichen Kanon und argumentiert fast immer streng vom Gegenstand ausgehend. Erzählerisch weiter ausholend ist lediglich die Vorbemerkung, die allerdings unnachahmlich in nur wenigen Sätzen das ganze Handke‘sche Universum entwirft. Drei lesende junge Männer in einem Pariser Vorortezug werden für ihn sogleich zum Entwurf einer besseren, friedlicheren Welt: „Und sie alle drei lasen. Und sie lasen ein jeder ein Buch, und es war das jeweils ein ernstes Buch - es war, Schönheit der Bücher wie der drei Leser, offenbar die alte, die ernste, die ewig neue Literatur. Und es wurde so im Waggon Raum, wie selten ein Raum.“
Neben kurzen, hier wieder abgedruckten Beiträgen zu verschiedenen Dichtern und Büchern, einem kurzen Text über den „Hervorrufer Claus Peymann“, ein ausführliches Porträt des Verlegers und Mäzens Hubert Burda („Mein reicher Freund“) und einer knappen, nicht frei von Bitterkeit formulierten Würdigung des „Residenz“-Verlegers Wolfgang Schaffler („Später war es nicht recht, daß er die Autoren im Stich ließ und sich und, anders, sie, die Autoren, an den Staat verschacherte.“) sind es etwa der Streit um den Heine-Preis oder die von Protesten begleitete Annahme des Ibsen-Preises, die hier Spuren hinterlassen haben.
Den größten Teil des Buches macht aber das Echo aus, mit dem der Leser Peter Handke seine Lektüreerfahrungen formuliert. Am Ende finden sich etliche Sendemanuskripte einer regelmäßigen „Bücherecke“, aus welcher der 22-, 23-Jährige angehende Dichter für das ORF-Radio Steiermark seine Empfehlungen abgegeben hat. Neben einer starken Vorliebe für Neuerscheinungen der Edition Suhrkamp fällt das mitunter auch in der Ablehnung sehr deutlich formulierte Urteil des Jus-Studenten und angehenden Autors auf. Ein besprochenes Buch „steckt sogar in einem Schuber. Darin sollte man es allerdings steckenlassen“, heißt es einmal, oder: „An Bert Brechts ausgewählten Gedichten schließlich erweist es sich, daß auch von ihnen manches schon abgebröckelt ist.“ Das schrieb Handke 1965. Ein Jahr später sollte er selbst seinen literarischen Durchbruch feiern.
Die nächste Handke-Neuerscheinung ist indes bereits avisiert: Der Verlag Jung und Jung kündigt für 26. Februar 2016 „Vor der Baumschattenwand nachts“ an. Der Band mit Tagebucheintragungen der Jahre 2007 bis 2015 sei „nicht weniger als eine Sensation“.
(S E R V I C E - Peter Handke: „Tage und Werke - Begleitschreiben“, Suhrkamp, 288 S., 23,60 Euro)