Katastrophen eines Lebens
Innsbruck – Anders als Truman Capote, der selbst über Stunden gehende Gespräche aus seinem Gedächtnis nachträglich minuziös protokollieren k...
Innsbruck –Anders als Truman Capote, der selbst über Stunden gehende Gespräche aus seinem Gedächtnis nachträglich minuziös protokollieren konnte, ist Tracy (Lola Kirke) auf ein Notizbuch angewiesen, in das sie ihre eigenen Wortbeiträge schreibt. Das kann natürlich einen lähmenden, wenn nicht irritierenden Einfluss auf den Verlauf eines Dialogs nehmen, aber die Studentin befindet sich noch in den Startlöchern ihrer Schriftstellerkarriere und ein Blick auf die Mitschrift überzeugt auch Brooke (Greta Gerwig), denn ihre Persönlichkeits- und Urheberrechte werden in keinem Wort verletzt. Aber kaum ist Tracy in ihrer Bude im New Yorker Studentenheim angekommen, füllt sie ihre Erzählung mit den trostlosen Beiträgen Brookes. In der Short Story, die schließlich in der Anthologie des Unischreibkurses erscheint, empfindet Brooke ihre Darstellung als Kränkung. Tracy hat nicht nur ihre Sätze geklaut, die Dreißigjährige ist auch zur Heldin einer tragikomischen Geschichte über die Katastrophen eines Lebens geworden, in dem nichts glücken will. Sie hatte immer die Ideen, hat die Raupen gefunden, doch ihre Freunde sind mit dem Verkauf der Schmetterlinge Millionäre geworden. Ihr aktuelles Projekt ist ein Restaurant, in dem „kein Teller einem anderen gleichen soll”, doch Finanziers denken dabei eher an Sperrmüll aus den 1970er-Jahren.
Seit 2012, seit ihrem ersten gemeinsamen Film „Frances Ha“, sind die Schauspielerin und Autorin Greta Gerwig und der Regisseur Noah Baumbach ein Team, das nach „Gefühlt Mitte Zwanzig” (2014) auch in „Mistress America” von den Schwierigkeiten beim Erwachsenwerden oder von der Weigerung, in die ernsthafte Phase einzutreten, erzählt. Aber der Witz und die Neugier der Figuren liegen unter einer leisen Melancholie begraben, wie auch die Übertragung der Woody-Allen-Attitüde („Dies ist meine Stadt!”) nicht mehr funktionieren will. Und mit der Sehnsucht nach den Siebziger-Jahren hat schon manch Unglück begonnen. (p. a.)