Mehr als die Einzelteile: Wie man Quantenobjekte berechnet
Physiker der TU Wien stellen Methode für die Berechnung von Quantensystemen vor.
Wien – Wenn ultrakalte Atomwolken kollidieren, lassen sich spezielle Quantenwellen beobachten. An manchen Orten sind dann viele Teilchen, an anderen keine. In Simulationen sieht man diesen Effekt nicht, wenn man die Atome einzeln berechnet. Erst wenn man alle Teilchen berücksichtigt, tauchen die Wellen auf. Wie man so kollektive Berechnungen anstellt, haben Wiener Forscher in „Nature Physics“ geklärt.
Atome, die sich aus einer geraden Zahl von Protonen, Neutronen und Elektronen zusammensetzen und deshalb „ganzzahligen Spin“ haben, kommen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) in einen eigenen Materiezustand: sie bilden ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC). Dabei verlieren die einzelnen Atome dieser Atomwolke völlig ihre Individualität und schwingen quasi im gleichen Takt - sie verhalten sich als gemeinsames Quantenobjekt. Dieses ist aber nicht einfach die Summe seiner Einzelteile.
Einfach berechnen lassen sich solche Quantensysteme nur, wenn sie aus wenigen Einzelteilen bestehen. Eine Atomwolke mit Tausenden Teilchen, kann man nur näherungsweise beschreiben. Denn die Teilchen sind quantenphysikalisch miteinander verbunden und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden.
Kaspar Sakmann vom Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien hat nun mit seinem Kollegen Mark Kasevich von der Stanford University (USA) gezeigt, dass sich auch Effekte in BEC, wie etwa Quantenwellen, berechnen lassen, die sich nur durch die quantenphysikalische Wechselbeziehung zwischen vielen Atomen erklären lassen.
Um die Verteilung der Atome in einem BEC zu berechnen, kann man nicht klassisch vorgehen. Dann wäre nämlich die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im Zentrum der Wolke vorzufinden, am größten, und nach außen hin nimmt diese Wahrscheinlichkeit stetig ab. Doch im Quantensystem ist das viel komplizierter, der Ort der Atome ist zunächst nicht festgelegt und steht erst bei der Messung fest.
In ihrer Methode teilen die Physiker das Problem in viele Schritte auf: „Wir berechnen zuerst die Wahrscheinlichkeit, mit der sich das erste Teilchen an einer bestimmten Stelle befindet. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des zweiten Teilchens hängen dann davon ab, wo man das erste gefunden hat, der Ort des dritten Teilchens von den ersten beiden, usw.“, erklärte Sakmann in einer Aussendung der TU. Für die Berechnung des letzten Teilchens müssen alle anderen Teilchen berücksichtigt werden.
So lassen sich nicht nur Quantenwellen in kollidierenden BEC berechnen, sondern auch bestimmte Verwirbelungen in den Kondensaten, wenn man diese mit einem Laser umrührt. Die Wechselbeziehungen zwischen den Teilchen könnten so korrekt berücksichtigt werden - mit einigen Modifikationen auch in anderen Quantensystemen, sind die Wissenschafter überzeugt. (APA)