Ägypten

Von der Revolution bleibt nur eine ferne Erinnerung

Mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften verhinderten Ägyptens Machthaber neue Demonstrationen in Kairo.
© AFP/Khaled

Fünf Jahre nach Ausbruch des Arabischen Frühlings auf dem Tahrir-Platz in Kairo herrscht in Ägypten wieder strenger politischer Winter.

Kairo –Sie erlebte die arabischen Aufstände in Kairo durch die Kameralinse. Ihre Bilder hielten Mut, Euphorie und Gewalt historischer Tage fest. Heute sind sie angesichts neuer Unterdrückung verblasst. In der Früh des 25. Jänner 2011 hatte Eman Helal noch mit ihrem Chef gescherzt. Ein Protest im Stadtzentrum. Hier im Kairo des autoritären Machthabers Hosni Mubarak. Das werde ja bestimmt eine Riesensache. Die junge Zeitungsfotografin zog trotzdem auf den Tahrir-Platz. Stunden später rief sie ihren Boss unter Tränen an: „Kommt alle her. Es ist die Revolution.“

2016, fünf Jahre nach dem Sturz Mubaraks. Nach dem so genannten Arabischen Frühling ist das Land in eine rigorose Repression zurückgefallen. Opposition und Aktivisten? Reihenweise weggesperrt und verfolgt. Die Presse? Nicht frei. Es ist wieder Winter in Ägypten. Als Eman Helal damals, an dem historischen Tag, durch Kairo lief, demonstrierten die Menschen gegen schlechte wirtschaftliche Bedingungen, gegen eine alles aufzehrende Korruption, gegen Folter in den Gefängnissen. Aus Hunderten wurden Tausende, Hunderttausende, am Ende Millionen. Die Aufstände erfassten Ägypten und die arabische Welt wie eine bis dahin unbekannte Naturgewalt.

Nun sollte alles anders werden. Besser. „Damals hatten wir so viele Hoffnungen“, erinnert sich Helal. Und wenig Angst. „An diesem Tag wäre ich bereit gewesen, für mein Land zu sterben“, meint sie. Nachdem Hunderte umgekommen waren, ergriff Mubarak an 11. Februar unter dem Jubel des Volkes nach fast 30 Jahren Herrschaft die Flucht. Doch wie konnte der Rausch am Tahrir, der doch alles verändern sollte, zum Kater der Gegenwart werden? Ein zentrales Datum ist der Mai 2012, als nach der ersten Runde der Präsidentenwahl überraschend ein Vertreter des alten Mubarak-Systems und der islamistische Muslimbruder Mohammed Mursi vorne lagen. Mursi wurde später der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens. Ernüchterung unter den Aktivisten. In der Folge trifft der Gegensatz zwischen religiösen und weltlichen Kräften in dem Land auf die Unfähigkeit Mursis, seinen Gegnern die Hand zu reichen. Zudem versuchen das omnipräsente Militär, Teile des Staatsapparats sowie der Wirtschaft, die islamistische Regierung zu sabotieren.

Im Juli 2013 wird Mursi nach Massenprotesten vom Militär gestürzt. Es folgt der wohl blutigste Tag in der jüngeren Geschichte Ägyptens. Bei einem Massaker der Polizei sterben mindestens 600 protestierende Islamisten. „Den Schießbefehl, den es 2011 nicht gab, hat man 2013 nachgeholt“, sagt Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Seiner Einschätzung nach wären statt des Putsches Verhandlungen möglich gewesen. Das Argument, dass Armeechef Abdel Fattah al-Sisi einen Bürgerkrieg verhinderte, findet er übertrieben. „Es ging von Anfang an darum, das Regime zu restaurieren und repressiver zu machen.“ Aus General Al-Sisi ist mittlerweile der autoritäre und bei vielen beliebte Präsident Al-Sisi geworden. Doch im Kampf gegen die drängendsten Probleme hat er offenbar kein Konzept gefunden. Und die Hoffnungen der 2011er-Generation sind heute längst erloschen. (dpa/Schwinghammer, TT)

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