Flüchtlingskrise

„Es wird der Mohammed sein, der meine Pension zahlt“

Ankommende Flüchtlinge im steirischen Spielfeld.
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Bei einer Diskussion heimischer Hilfsorganisationen lautete der einhellige Tenor, dass sich die europäischen Staaten bewusst unattraktiv für Flüchtlinge machen wollen. Dabei sei Zuwanderung mit Blick auf die Zukunft essenziell, konstatierte Rot-Kreuz-Generalsekretär Gerry Foitik.

Wien - Nicht nur Österreich, sondern die gesamte Europäische Union hätte sich viel besser auf die aktuellen Flüchtlingsbewegungen vorbereiten können - so der Tenor einer Diskussion von Vertretern des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) sowie heimischer Hilfsorganisationen am Mittwochabend in Wien.

„Bild des Notstands provoziert“

In Österreich sei eine Ausnahmesituation „herbeiverwaltet“ worden, kritisierte Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien. Das „Bild des Notstandes“ sei provoziert worden, mutmaßte Schwertner in Anspielung auf die Situation im Flüchtlingslager in Traiskirchen im vergangenen Sommer und die Diskussion um die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten. Dadurch habe man sich erhofft, weitere Asylsuchende davon abzuhalten, nach Österreich zu kommen. „Man glaubte, dass sich die Menschen von einem bösen Wort der Innenministerin oder einem Grenzzaun von der Flucht abhalten lassen“, so der Caritas Wien-Chef.

Eine ähnliche Dynamik ortete Gerry Foitik, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, in ganz Europa. Jedes Mitgliedsland habe versucht, sich unattraktiv zu machen - speziell im Vergleich zum jeweiligen Nachbarland - um weniger Flüchtlinge „abzubekommen“. Mit Blick auf die Zukunft ist für Foitik die Zuwanderung jedoch essenziell: „Es wird wahrscheinlich der Mohammed sein, der meine Pension zahlt.“ Er selbst habe eigentlich gedacht, dass die „Einladung“ der deutschen Regierung für Flüchtlinge im vergangenen Herbst ein „Kalkül“ gewesen sei. Denn aufgrund des akuten Arbeitskräftemangels würde Deutschland junge, gut ausgebildete Menschen brauchen. Dies treffe vor allem auf die syrischen Flüchtlinge zu.

UNHCR-Sprecherin: „Hilfsappelle sehr lang verhallt“

Dass sich Menschen aus einem Bürgerkriegsland wie Syrien irgendwann auf die Flucht begeben werden, sei für die Vereinten Nationen klar gewesen, betonte Ruth Schöffl, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des UNHCR in Wien: „Wir haben seit dem ersten Jahr des Krieges (2011, Anm.) gewarnt.“ Nicht nur vor einem Anstieg der Flüchtlingszahlen, sondern vor allem, dass die Schutzsuchenden in den Nachbarländern - derzeit fünf Millionen - verhungern, so Schöffel. Hilfsappelle an die internationale Gemeinschaft seien aber „sehr lang, sehr stark verhallt“. Bis Ende 2015 waren die Hilfsforderungen des UNHCR nur zu 50 Prozent ausfinanziert. (APA)

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