Film und TV

Sarah Kuttner: Einfach mal nichts geben wollen

Sarah Kuttner schreibt Romane und macht Fernsehen: Am 4. Februar starten auf ZDFneo neue Folgen des Talk-Formats „Kuttner plus Zwei“.
© Erik Weiss

Exil-Literatur mit Indie-Pop-Touch: Sarah Kuttners dritter Roman „180 Grad Meer“.

Von Christiane Fasching

Innsbruck –Sarah Kuttner ist ein Fernseh-Mensch – ihre Spuren hat sie auf Viva, MTV, ARD, 3sat und ZDFneo hinterlassen. Dort startet am 4. Februar auch die dritte Staffel ihres Talk-Formats „Kuttner plus Zwei“: In heimeligem Ambiente quatscht die 37-jährige Berlinerin da mit zwei prominenten Gästen einen auf. Kuttner quatscht gerne, Kuttner quatscht gut – weil sie an den Geschichten anderer nicht nur interessiert scheint, sondern interessiert ist.

Aber Kuttner ist nicht nur ein Fernseh-Mensch. Dieser Tage ist mit „180 Grad Meer“ ihr dritter Roman erschienen. Darin geht’s um eine Frau namens Jule, die durch ihr Leben stolpert: Ihren netten Freund, den sie eigentlich liebt, betrügt sie mit ihrem Boss, den sie nicht einmal ansatzweise interessant findet. Aber bedeutungsloser Sex hat auch seine Vorteile: Man muss nichts geben. Und geben muss Jule schon genug – permanent giert ihre depressive Mutter nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, sich ihr zu entziehen schafft Jule nicht. Doch dann kommt ihr Techtelmechtel ans Licht und Jule geht ins Exil. Sie haut ab, zuerst zu ihrem Bruder nach London und dann weiter ans Meer – ihrem Sehnsuchtsort. Als Reisebegleiter hat sie einen Leih-Hund im Schlepptau, der bissig auf Streicheleinheiten reagiert, eine Jule auf vier Beinen also. Am Meer lebt auch Jules Vater, dessen Tochter sie aber nur auf dem Papier ist. Vielleicht rührt sich auch deshalb nichts in ihr, als sie von seinem bevorstehenden Tod erfährt, vaterlose Zustände ist sie schließlich gewohnt. Ob die Wut, die wie ein brennender Gummireifen in ihr lodert, wohl damit zu tun hat?

Eine wütende Protagonistin mit ausgewachsenen Bindungsängsten und festgefahrenen Familien-Troubles: Jule ist mehr Schattenwesen als Sonnenschein. Das wäre aber an und für sich egal – ein gutes Buch verträgt auch einen kaputten Helden. Das Pro­blem von „180 Grad Meer“ ist ein anderes: Die Geschichte will einen nicht recht packen, sie lässt einen kalt, wie Jule der drohende Tod ihres Vaters kalt lässt. Das liegt an Kuttners Figuren, an die man schwer herankommt, sie wirken zu überzeichnet, zu konstruiert, zu sehr gewollt, zu wenig real. Man kriegt kein Bild von ihnen, höchstens ein Abziehbild. Warum man das Buch trotzdem nicht zur Seite legt, hat einen einfachen Grund: Kuttner kann verdammt gut schreiben. Sie rotzt wunderschöne Sätze wie „Meine Aura ist irgendwie zahnfarben“ oder „Butter ist wie Liebe“ raus, die man sich sofort auf ein T-Shirt drucken lassen will. Kuttner ist eine Autorin, nur ist „180 Grad Meer“ nicht ihr bestes Buch.

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