Kritik

Die Hindernisse bei der Eroberung einer Familie

© Thimfilm

Für ihre neue Komödie „Lolo“ über die kriminelle Energie eines Muttersöhnchens gelang Julie Delpy ein Besetzungscoup.

Von Peter Angerer

Innsbruck –In den Sechzigerjahren kam vor allem bei Komödien der gezeichnete und mit einem Schlager unterlegte Titelvorspann in Mode. Die Namen der Stars hüpften über die Leinwand und verwiesen so auf Leichtigkeit oder Belanglosigkeit des zu Erwartenden. Julie Delpy nimmt in „Lolo“ diesen Faden als Reminiszenz wieder auf und lässt Andy Williams „The boys watch the girls while the girls watch the boys“ singen. Das klingt nach Sommer und Strand, nur die Girls sind in die Jahre gekommen.

Um etwas Abstand zur mörderischen Modebranche in Paris zu gewinnen, gönnen sich Violette (Julie Delpy) und Ariane (Karin Viard) eine Wellness-Woche in Biarritz. Nach den Zumutungen der Entschlackung verlangt es die ziemlich besten Freundinnen nach erotischen Abenteuern, obwohl in der Provinz nur „Bauern-Tölpel“ zu erwarten sind. Wie gerufen schleppt am Hafen Jean-René (Dany Boon) einen eben gefangenen Thunfisch über die Mole, den er prompt auf Violettes Schoß plumpsen lässt. Anderntags schwärmt Violette von Jean-Renés Zunge, die sich auch an kritischen Tagen nicht erschreckt zurückzieht. Einmal auf den Geschmack gekommen, würde der Provinzler das Verhältnis gerne fortsetzen, da er sich in der Metropole ohnehin beruflich verbessern möchte – Jean-René hat für eine Bank eine Software geschrieben, die den Sekundenhandel noch einmal beschleunigt. Für Violette liegt der Reiz eines One-Night-Stands zwar in der zeitlich begrenzten Definition, doch die Kostprobe hat auch sie überzeugt, weshalb sie gegen ein unverbindliches Treffen in Paris nichts einzuwenden hat. Kaum angekommen, taumeln beide blind vor Begierde in Violettes Schlafzimmer, doch das Bett ist bereits belegt. Lolo (Vincent Lacoste) bevorzugt – trotz seiner 19 Jahre – noch immer Mamas Schlafplatz, den er gegen jeden Eindringling zu verteidigen weiß.

Julie Delpy hat – mit ihrer Koautorin Eugénie Grandval – die Geschichte und die Intrige ihrer romantischen Komödie ziemlich dreist von den Brüdern Mark und Jay Duplass geklaut, die schon 2010 in „Cyrus“ von der Verzweiflung eines Muttersöhnchens erzählt haben. Andererseits gibt es kein Urheberrecht auf eine Mutter-und-Sohn-Beziehung, zumal Delpy ihren Lolo mit mehr Verschlagenheit und krimineller Energie ausstattet, um jedes sich anbahnende Glück sofort im Keim zu ersticken.

Nach kleinen und diskreten Liebesgeschichten („2 Tage New York“, 2012) offeriert Julie Delpy in „Lolo“ über die Besetzungsliste den großen französischen Kinocoup. Ihre Ko-Stars Dany Boon („Willkommen bei den Sch’tis“) und Karin Viard („Verstehen Sie die Béliers?“) erreichen mit ihren Einzelauftritten regelmäßig ein Millionenpublikum, weshalb Delpy auch prominente Freunde für Kurzauftritte gewinnen konnte. Karl Lagerfeld muss sich von Dany Boons Jean-René beleidigen lassen, Frédéric Beigbeder versucht sich als TV-Koch an der Zubereitung eines Huhns, das nur über enge kulinarische Möglichkeiten verfügt. Auf kleiner Flamme köchelt „Lolo“ als leichte Komödie gar.