Landtagswahlen in Deutschland

Wieviel CDU ist noch in Merkel? Spagat zwischen Partei und Kanzleramt

Angela Merkel räumte ein, es sei "ein schwerer Tag" für die CDU gewesen. Zugleich machte sie ihr Festhalten am Ziel einer europäischen Lösung in der Flüchtlingskrise deutlich.
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Die Wahlschlappen ihrer CDU machen der Kanzlerin die EU-Verhandlungen über die Flüchtlingskrise noch schwerer. Aber sie bleibt unbeirrt bei ihrem Kurs - bleibt die Union dann noch bei Merkel?

Von Kristina Dunz, dpa

Berlin – Eine für alle. Angela Merkel steht mit den drei CDU- Spitzenkandidaten auf dem Podium in der Parteizentrale und nimmt deren Stimmenverluste bei den Landtagswahlen auf die eigene Kappe. Die Flüchtlingspolitik sei das alles dominierende Thema gewesen, sagt die CDU-Chefin und lenkt Angriffe gegen Julia Klöckner, Guido Wolf und Reiner Haseloff damit gleich auf sich selbst. „Das ist eine sehr stark bundespolitische Frage, und damit ist ja auch Verantwortung verbunden“, betont Merkel. Nämlich ihre. Seit Monaten wehrt sich die Kanzlerin gegen eine deutsche Obergrenze für Flüchtlinge und setzt auf eine europäische Lösung. Aber so dramatisch der CDU-Absturz vor allem im Südwesten auch sein mag, Konsequenzen zieht Merkel nicht: „Ich bin für eine europäische Lösung. Die braucht Zeit.“

Seehofer spricht von „politischem Erdbeben“

Stellt sich nun die Frage, ob in Merkels Union auch umgekehrt alle für eine einstehen werden - CDU und CSU für ihre Kanzlerin. Schon am Montag sieht es nicht danach aus. Allen voran setzt wieder CSU-Chef Horst Seehofer die Vorsitzende der Schwesterpartei unter Druck. Er wartet den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag nicht ab, wo ein Durchbruch in den Verhandlungen mit der Türkei über die Lösung der Flüchtlingskrise angestrebt wird. Stattdessen spricht er wegen des Aufstiegs der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt von einem „politischen Erdbeben“. Und mahnt: „Es geht schon um den Bestand der Union.“ Merkel müsse jetzt umschwenken. Die bleibt aber standfest.

Zerrissenheit und Streit mögen Wähler nicht, analysiert Merkel recht kühl. Das haben vor allem Klöckner und Wolf wegen ihrer Absetzbewegungen von Merkel im Wahlkampf zu spüren bekommen. Merkel meint aber in diesem Moment aber auch den Konflikt mit der CSU. Mit Seehofer. „Differenzen sind für CDU und CSU, für die Wähler, auch immer schwer auszuhalten“, sagt sie. Ein Präsidiumsmitglied berichtet, man könne Seehofers Tiraden nicht mehr hören. Das helfe der Union nicht. Ein anderer äußert Bedenken, Merkel könnte wegen des ganzen Theaters zur Bundestagswahl 2017 nicht mehr antreten.

Ein dritter spricht von zwei Denkschulen in der Union: Die eine stütze Merkel jetzt erst recht, die andere fürchte, dass aus den Wahlergebnissen vom Sonntag ein Trend gegen die CDU werde. Vor allem auf Kommunalebene hätten es CDU-Politiker schwer, Merkel noch zu folgen, wenn sie nach jahrelanger eifriger Kommunalpolitik plötzlich von einem völlig unbekannten und uninformierten AfD-Politiker verdrängt würden. Einfach so. Aus Protest. Merkel sagt, die Volkspartei CDU müsse den Zustand möglichst wieder beenden, dass Menschen zur Wahl gehen und „einfach Protest wählen“. Nur wie?

Flüchtlingskrise ein „langwieriges Problem“

Mit der AfD will sich die Union nun „argumentativ“ auseinandersetzen. Sie entlarven, zeigen, dass sie kein belastbares Konzept, keinen Plan hat und zerstritten ist. Das Wichtigste ist aber wohl, was Merkel auch noch an diesem Tag sagt: Probleme lösen. Es habe die drei Wahlen „sehr stark bestimmt, dass noch keine abschließende nachhaltige Lösung da ist“ in der Flüchtlingskrise. „Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Welt in großer Unordnung ist.“ Das verunsichere sie. Und dann verlangt Merkel ihnen wieder Geduld, Mut und Weitsicht ab. Die Flüchtlingskrise sei ein „sehr ernstes und langwieriges Problem“.

Sie erinnert erneut daran, dass sie eben nicht nur CDU-Vorsitzende ist, die sich um nationale Interessen kümmert, sondern als Bundeskanzlerin auf internationaler Ebene verhandelt. Da ist Deutschland dann ein Land von vielen, das sich behaupten, aber auch Kompromisse suchen muss. Wieviel CDU-Politik macht Merkel da? Viele haben den Eindruck, dass sie oft eher wie eine Präsidentin auftritt, die das ganze Land, mehrere Parteien, im Blick hat.

Wunsch nach Geschlossenheit von CDU und CSU

Bei der Frage, ob sie im Bundestag die Vertrauensfrage zu ihrer Flüchtlingspolitik stellen werde, muss Merkel lächeln. Nein, sagt sie kopfschüttelnd. Sie könne sich des Vertrauens ihrer Fraktion immer wieder versichern. Und sie habe für ihren Kurs ein breites Votum des CDU-Parteitages vom Dezember hinter sich. Unruhe in der Fraktion wertet sie nicht als Gefahr. Wo, wenn nicht dort, sollten die Abgeordneten über ein so schweres Thema diskutieren? Merkel würde bei einer Vertrauensabstimmung wohl auch sicher bestätigt - die schwarz- rote Koalition verfügt über eine Mehrheit von rund 80 Prozent.

Sie räumt ein und bedauert, dass der Wahlsonntag ein schwerer Tag für die CDU war. Und sie zeigt deutlich, dass sie sich wieder mehr Geschlossenheit von CDU und CSU wünscht: „Ich möchte, dass meine Partei, die Union natürlich, CDU und CSU insgesamt, auch in großer Einigkeit solche Fragen diskutieren.“ Sie hat aber auch längst die Erfahrungen gemacht, die Klöckner jetzt so beschreibt: „Man reift mit den harten Tagen und nicht mit den einfachen.“