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Vor 150 Jahren veröffentlichte Gregor Mendel Vererbungsregeln

Die Uni Wien stellt einen Sonderdruck der Arbeit von Gregor Mendel als E-Book vor.
© Screenshot/Uni Wien

Der Naturforscher und Mönch wurde mit der Kultivierung von 28.000 Erbsenpflanzen und der statistischen Auswertung seiner Ergebnisse zum „Vater der Genetik“.

Wien – Vor 150 Jahren veröffentlichte der Naturforscher und Augustinermönch Gregor Mendel in seinem Werk „Versuche über Pflanzen-Hybriden“ die nach ihm benannten und heute weltbekannten Vererbungsregeln. Bei den Züchtern wurden sie bald beachtet, doch die akademischen Botaniker nahmen davon kaum Notiz. Was Mendel nicht verunsicherte: „Meine Zeit wird schon noch kommen“, soll er gesagt haben.

Er sollte recht behalten, heutzutage kennt man den als Johann Mendel 1822 in Heinzendorf im damaligen Österreich-Schlesien, heute Tschechien, geborenen Bauernsohn als „Vater der Genetik“. Anlässlich der Veröffentlichung seiner Arbeit 1866 in einer Publikationsreihe des Naturforschenden Verein in Brünn, wo er bereits im Frühjahr 1865 über seine Ergebnisse referiert hatte, veranstalten u.a. die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) das Symposium „150 Jahre Mendelsche Regeln: vom Erbsenzählen zum Gen-Editieren“ am Donnerstag und Freitag in Wien.

Der ausgezeichnete Schüler Mendel begann ein Studium in Olmütz, musste es jedoch wegen Geldmangels der Familie zunächst abbrechen. Er trat in Brünn den Augustinern bei und nahm den Ordensnamen Gregorius an. Neben Theologie konnte er bald auch Landwirtschaft studieren, dadurch lernte er Kreuzungstechniken, Auslese und Samen vermehren, und begann 1856 im Klostergarten systematische Kreuzungsversuche mit Erbsen.

„Auch viel Glück gehabt“

Einerseits hat er diese Pflanzen nach sorgfältigen Vorversuchen schlau gewählt, andererseits auch die Versuchsdurchführung genau überlegt, erklärte Ortrun Mittelsten-Scheid vom Gregor Mendel Institut (GMI) der ÖAW in Wien im Gespräch mit der APA. „Er hat mit der Wahl der untersuchten Eigenschaften eigentlich auch viel Glück gehabt“, so die Forscherin.

Mendel habe auch mit anderen Systemen gearbeitet, wo die Voraussetzungen für die Gültigkeit seiner Regeln nicht gegeben waren, und dort Schiffbruch erlitten. „Seine Genialität liegt in meinen Augen darin, dass er klar erkannte, dass es unterschiedliche Systeme gibt, und sich auf die Fälle konzentrierte, wo er diese Gesetzmäßigkeiten belegen konnte“, sagte sie.

Für seine Untersuchungen verwendete er reinerbiges Saatgut, bei dem er mehr als zwei Jahre lang prüfte, ob die Nachkommen noch die gleichen Merkmale wie die Eltern tragen. Um die Erbsen zu bestäuben, nahm er aus einer Blüte mit einem Tuschepinsel Pollen und übertrug sie auf die Narbe einer noch ungeöffneten Blüte einer anderen Pflanze. Dann entfernte er deren Staubblätter, um Selbstbefruchtung auszuschließen.

Er beschränkte sich auf sieben gut unterscheidbare Merkmale wie die Farbe der Früchte, damit wurde für ihn das Vererbungsgeschehen überschaubar. Zwischen 1856 und 1863 kultivierte er 28.000 Erbsenpflanzen und wertete seine Ergebnisse statistisch aus.

Drei Vererbungsregeln

Seine drei Vererbungsregeln gelten für Merkmale, die jeweils von einem einzigen Gen festgelegt werden. Jedes davon liegt in zwei Kopien vor, wobei jeweils eine vom Vater und von der Mutter stammt.

Die „Uniformitätsregel“ gilt für die Nachkommen zweier Eltern, die sich in einem Merkmal (rote oder weiße Blütenfarbe) unterscheiden, für das sie jeweils reinerbig sind, also zwei gleiche Genvarianten (Allele) besitzen, also weiß-weiß bzw. rot-rot. Die Nachkommen sehen bezüglich dieses Merkmals dann entweder aus wie ein Elternteil (dominant-rezessiver Erbgang), tragen eine Mischform (intermediärer Erbgang) oder bilden beide Merkmale gleichzeitig aus (kodominant), wie bei den Blutgruppen, wo die elterlichen Allele A und B bei den Kindern zu AB führen.

Die „Spaltungsregel“ tritt in Kraft, wenn beide Eltern jeweils unterschiedliche Allele für ein Merkmal tragen. Bei der dominant-rezessiven Vererbung bekommen dadurch - beim Beispiel Blütenfarbe - jeweils ein Viertel der Nachkommen ausschließlich die Erbanlagen für „Rot“ oder „Weiß“, und zwei Viertel beide Allele.

Wenn Rot „dominant“ ist, tragen somit drei von vier Nachkommen rote und einer weiße Blüten. Die intermediäre Vererbung bringt jeweils einem Viertel der Nachkommen reinerbige Varianten und die verbleibende Hälfte trägt eine Mischform des Merkmals. Auch bei der kodominanten Vererbung spalten sich die Merkmale im Verhältnis 1:2:1 auf.

Mendels „Unabhängigkeitsregel“ besagt, dass zwei unterschiedliche Merkmale wie die Blüten- und Fruchtfarbe unabhängig voneinander vererbt werden. Dazu müssen sie aber auf zwei unterschiedlichen Chromosomen liegen, oder zumindest so weit voneinander entfernt, dass sie während der Entstehung der Geschlechtszellen regelmäßig getrennt werden.

Der Augustinermönch kannte freilich weder die Begriffe noch Konzepte von „Genen“ und „Chromosomen“, sondern stellte „lediglich“ fest, dass es „teilchenartige Elemente“ gibt, die auf die Nachkommen übertragen werden. Mit der späteren Entdeckung von Chromosomen und Genen konnten seine Regeln aber widerspruchsfrei erklärt werden.

1884 starb Mendel in Brünn und so erlebte er nicht mehr, wie seine Regeln 1900 von der akademischen Welt „wiederentdeckt“ wurden. Der österreichische Botaniker Erich Tschermak hat die Vererbungsregeln unabhängig in Experimenten gefunden und danach zu seinem Erstaunen in der Bibliothek die jahrzehntealte Arbeit Mendels aufgestöbert. Der Niederländer Hugo de Vries und der Deutsche Carl Correns wiederum entdeckten zunächst Mendels Werk und verifizierten seine Regeln mit eigenen Versuchen. (APA)