Tirol

ÖVP und Grüne halten an Tempo 100 für Pkw in Tirol fest

Die billige Maut und der billige Diesel ziehen zwei Millionen Lkw pro Jahr an. Das belastet das „Herz der Alpen“, wie sich Tirol nennt, sehr.
© Böhm

Das Schicksal des Lufthunderters ist für LH Platter an jenes des sektoralen Fahrverbotes geknüpft. Letzteres hat Löcher bekommen.

Innsbruck - Zwar hat die Tiroler Landesregierung ihre Verordnung zum sektoralen Fahrverbot etwas entschärft, die Kritik seitens der Wirtschaftskammer blieb dennoch nicht aus. Der Beschluss der Landesregierung sei verkehrspolitisch ohne Wirkung für die Schadstoffsituation im Unterland, sagt der Präsident der Wirtschaftskammer, Jürgen Bodenseer.

Er fordert eine europäische Verlagerungspolitik. Durch die Verordnung der Landesregierung fahre kein einziger Transit-Lkw weniger durch Tirol, zeitgleich werde die heimische Wirtschaft geschädigt.

Schwarz-Grün will das sektorale Fahrverbot stufenweise einführen. Ab Herbst 2016 soll es kommen, es sieht aber Ausnahmen für die saubersten Lkw bis 2018 vor. Das sind vor allem Transit-Lkw. Schadstoffreiche Lkw der Klasse Euro 3 verbietet die Landesregierung früher als von der heimischen Wirtschaft gewünscht. Die EU-Kommission hätte sie sofort gestrichen, weil sie die Luft stark belasten.

Um die heimische Wirtschaft zu beruhigen, zahlen Bund und Land Umrüstungsprämien. 12,5 Millionen Euro fließen dafür vom Bund, wie viel das Umrüsten das Land kostet, konnten LH Günther Platter und die grüne Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe gestern noch nicht beziffern. „Das wird derzeit berechnet“, sagte Platter bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung in Innsbruck. 300 Lkw seien letztes Jahr umgerüstet worden. Die Prämie zieht offenbar. Die Regierung habe Geld umschichten müssen, um dem Andrang Genüge zu tun.

Stellungnahme im Wortlaut

Die Stellungnahme der EU-Kommission zum Downloaden (pdf): http://bit.ly/1pJb1H6

Rund zwei Millionen Lkw fahren jährlich über den Brenner. Tendenz steigend. Das sei der Bevölkerung nicht länger zuzumuten. Die Landesregierung habe daher mit dem sektoralen Fahrverbot einen „Meilenstein“ zur Verlagerung des Verkehrs gesetzt, meinten Platter und Felipe.

Der Landeshauptmann bezog sich auf das Weißbuch der EU. Dieses sehe eine Reduktion der Lkw am Brenner bis 2030 um 30 Prozent und eine Halbierung bis 2050 vor. Es brauche Strategien, um den Verkehr auf die Schiene zu verlagern. 2026 soll der Brennerbasistunnel fertig sein. Auch die EU, die Milliarden in den Tunnel stecke, müsse daran interessiert sein, dass es zur Verkehrsverlagerung komme.

Platter und Felipe gehen davon aus, dass das sektorale Fahrverbot eingeklagt wird. Das war bereits mehrmals der Fall. Zuletzt kippte der Europäische Gerichtshof die Lkw-Bremse im Dezember 2011. Tirol möge gelindere Mittel einführen, bevor es den Warenverkehr behindere, „nur“ um die Luftgüte zu verbessern, hieß es.

Die Landesregierung hat rund fünf Jahre gebraucht, um das sektorale Fahrverbot zu verordnen, drei Jahre, um Tempo 100 vorzuschreiben. Ob man zu lange gezögert und damit Glaubwürdigkeit in Brüssel verspielt habe? Im Nachhinein könne man immer sagen, es hätte schneller und besser gehen können, meinte Felipe. Sie ortet Verständnis für Tirols Maßnahmen auch bei EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc. LH Platter hatte bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker interveniert.

Platter und Felipe hoffen, dass die EU-Kommission nach der letzten Abänderung der Verordnung einlenkt. „Wir haben den österreichischen Behörden unsere Position mitgeteilt. Gemeinsam mit den österreichischen Behörden wollen wir nun eine geeignete Lösung finden, um Tirols Naturerbe zu schützen“, erklärte Jakub Adamowicz, Sprecher der Europäischen Kommission.

Aufs Tempo drücken wollen ÖVP, Grüne und Impuls im Landtag. Die drei haben einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, das sektorale Fahrverbot möge rasch wieder eingeführt werden. Das wiederum lockt bei FPÖ, SPÖ und beim Transitforum nur ein müdes Lächeln hervor. Das sektorale Fahrverbot hätte schön längst verordnet werden können und sollen, meinen diese drei. (aheu)

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