Landespolitik

Natura 2000 geplatzt, EU droht Klage an

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Die EU bezeichnet die von Österreich nachnominierten 80 Natura-2000-Schutzgebiete als mangelhaft. Auch Tirol dürfte davon betroffen sein.

Von Peter Nindler

Innsbruck – Erneut schlechte Nachrichten aus Brüssel: Der nächste Schritt im bereits eingeleiteten Natura-2000-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich droht und damit wohl eine Klage. Obwohl die Umweltkommission von substanziellen Nachnominierungen von Schutzgebieten spricht, zeichnet sich laut einem geharnischten Schreiben von Umwelt-Generaldirektor Frank Vassen zunehmend ab, dass „noch weitere Schutzgüter deutlich defizitär sein dürften“. Es würden Gebietsvorschläge und objektive Daten fehlen. Das für April geplante und entscheidende Bewertungsseminar mit Vertretern der EU-Kommission in Wien über die 80 Ausweisungsvorschläge wurde deshalb abgesagt.

Tirol nominierte unter anderem die Isel, Teile des Kalserbachs und der Schwarz­ach. Was den Unmut der EU ausgelöst hat, darüber gibt es derzeit nur Spekulationen. Vassen weist nämlich allgemein darauf hin, dass gerade bei den problematischen Schutzgütern weiterhin „in erheblichem Umfang Gebietsvorschläge“ ausständig seien. Tirol dürfte nicht Auslöser für den EU-Ärger sein, doch inoffiziell heißt es, dass das Land wegen der Nichtnominierung des Fimbatals im Bereich des Piz Val Gronda und der Bergmähder in Serfaus betroffen sei. Dazu kämen noch Abgrenzungsfragen an der Isel und den Zubringerflüssen.

Über die weitere Vorgehensweise will die EU-Kommission in den nächsten Wochen entscheiden.

Die EU fordert noch mehr Schutzgebiete

Im Großen und Ganzen sollte der Prozess über die Nachnominierung von Natura-2000-Schutzgebieten in Österreich eigentlich im April abgeschlossen werden. Das Bewertungsseminar mit Experten der EU war bereits fixiert, doch jetzt hat es der Generaldirektor in der Umweltkommission, Frank Vassen, kurzerhand abgesagt. EU-weit umfassen die Natura-2000-Schutzzonen mehr als 1000 Tier- und Pflanzenarten sowie rund 27.000 Gebiete. In den vergangenen Jahren hat Brüssel immer wieder Österreich und Tirol gemahnt, weitere Schutzgebiete auszuweisen. 2013 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, mit der Absage des Bewertungsseminars droht jetzt eine Klage. Die EU ist schlichtweg unzufrieden mit den nachgereichten 80 Gebietsvorschlägen.

Hinsichtlich „der Möglichkeit einer objektiven Bewertung" bleibt für die EU die Frage der Qualität der verfügbaren Vorkommens- und Verbreitungsdaten für eine nicht unerhebliche Anzahl von Schutzgütern weiterhin offen. Außerdem, so Vassen, sei die Brauchbarkeit der Daten für eine Bewertung zumindest bei einigen Schutzgütern mehr als fraglich. „Offensichtlich wurde im Rahmen der nun veröffentlichten Erhebungen vielfach gezielt nur in bereits bestehenden Fauna-Flora-Habitat-Gebieten nach Vorkommen gesucht, so dass diese Studien kein objektives Bild der Verbreitung und Abdeckung der Schutzgüter liefern können", lautet der Hauptvorwurf in dem geharnischten Schreiben an die Bundesländer.

Im Hintergrund dürften einmal mehr die Umweltorganisationen Druck gemacht haben, sie hatten schließlich eine Schattenliste von rund 250 Schutzgütern in Brüssel vorgelegt. Die von den Ländern nachnominierten Gebiete wurden als unzureichend kritisiert. Obwohl Bundesländer wie Kärnten, die Steiermark oder Salzburg hauptverantwortlich für die Absage des Bewertungsseminars sein dürften, gerät auch Tirol dadurch in Bedrängnis.

Auf das Fimbatal im Bereich des Piz Val Gronda konnte man sich nicht einigen, auf eine Nominierung der eingemahnten Schutzgebietsausweisung wurde verzichtet. Bei den Bergmähdern in Serfaus und Fiss gibt es ebenfalls Mängel. Und das ohnehin heftig umstrittene Osttirol-Paket dürfte ebenfalls Fragen hinsichtlich der getroffenen Abgrenzungen aufwerfen. Zwar hat die Landesregierung die gesamte Isel als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen, aber nur einen Teil des Kalserbachs und der Schwarzach. Der Tauernbach wurde überhaupt ausgespart. Diese Abgrenzungen sorgten jedoch immer wieder für Debatten. An den Osttiroler Gletscherflüssen geht es um die Deutsche Tamariske. Sie ist ein besonders schützenswertes Ufergewächs.

Die weitere Vorgehensweise lässt die Umweltkommission noch offen. Möglicherweise räumt die EU Österreich erneut eine Nachbesserungsfrist ein. Es wird aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Kommission gleich eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einbringt. Wird Österreich verurteilt, droht dann eine Strafe von bis zu 60 Millionen Euro.