EU-Türkei-Gipfel

Flüchtlingsverteilung bleibt Europas wunder Punkt

Kinder spielen im Flüchtlingslager Idomeni. Obwohl die EU-Innenminister 2015 die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen haben, wurden bisher erst 937 in andere EU-Staaten verbracht.
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Beim geplanten Deal mit der Türkei gilt es letztendlich zu klären, wie viele Schutzbedürftige die EU Ankara abnimmt – und wer sie aufnimmt.

Brüssel – Die ungelöste Verteilung von Flüchtlingen in der Europäischen Union zieht sich wie ein roter Faden durch bisher alle Krisengipfel zur Flüchtlingskrise. Auch beim EU-Gipfel in Brüssel geht es letztlich um die Frage, wie viele Flüchtlinge die Europäische Union am Ende der Türkei abnehmen wird.

Dabei ist der umstrittene 1:1-Mechanismus, wonach die EU für jeden illegal nach Griechenland eingereisten und in die Türkei abgeschobenen Syrer einen anerkannten syrischen Kriegsflüchtling aufnehmen will, nur ein Teil der geplanten Lösung. Nach den Plänen der EU soll es nämlich gar nicht soweit kommen, dass die dafür vorgesehenen 18.000 freien Plätze im Rahmen des laufenden EU-Resettlement-Programmes voll ausgeschöpft werden.

Abschiebung soll abschrecken

Die Abschiebung in die Türkei ist demnach vielmehr als Abschreckung an illegale Migranten und Schlepper gedacht. „Wir haben die Möglichkeit, ein für alle Mal das Geschäftsmodell der Schlepper zu zerbrechen“, sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. Damit der Mechanismus funktioniert, muss Griechenland die Türkei als sicheren Drittstaat anerkennen und die Türkei garantieren, dass sie Flüchtlingen gemäß den internationalen Konventionen Schutz gewährt.

Selbst für den Fall, dass das Kontingent von 18.000 Plätzen ausgeschöpft wäre, will der EU-Gipfel noch die verfügbaren 54.000 aus dem EU-Umverteilungsbeschluss im Rahmen einer „freiwilligen Vereinbarung“ für syrische Kriegsflüchtlinge aus der Türkei zur Verfügung stellen. Diese Plätze sind frei, nachdem sich Ungarn geweigert hatte, zum Erstaufnahmeland für Flüchtlinge zu werden. Insgesamt stünden also 72.000 Plätze zur Verfügung.

Nichtsdestotrotz wird sich, so heißt es in Delegationskreisen, die Türkei nur zu einem Deal verpflichten, wenn die EU beim Gipfel in Brüssel klar macht, wie viele weitere Flüchtlinge sie aus den Lagern in der Türkei noch übernimmt. Die eigentliche Herausforderung beginnt demnach, „sobald die irregulären Grenzübertritte zwischen der Türkei und der EU zu einem Ende gekommen sind oder zumindest sehr substanziell reduziert wurden“, wie es im Gipfelentwurf heißt.

Dann soll die „Vereinbarung mit der Türkei über die freiwillige Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus humanitären Gründen“ in Kraft treten - ein anderes Wort für ein Resettlement-Programm, das von den EU-Staaten noch mit konkreten Flüchtlingszahlen ausgefüllt werden muss. „Die EU-Staaten werden auf freiwilliger Basis zu dem Schema beitragen“, ist alles, was bisher im Gipfelentwurf dazu steht. Die Türkei hat bisher fast drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen, davon soll die EU Ankara einen großen Teil abnehmen.

Die größten Probleme liegen in Europa

Und dabei scheinen derzeit die größten Probleme in Europa zu liegen. Von Diplomaten wird die Frage des Resettlements als kritischer betrachtet als die im Vorfeld des Gipfels eingebrachten Einwände Zyperns oder die Bedenken einiger Länder zur Visafreiheit für die Türkei ab 1. Juni.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte, dass rund 20 EU-Staaten bisher erklärt hätten, keine Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Die EU-Kommission werde jetzt von diesen Ländern dafür kritisiert, dass sie Verhandlungen mit der Türkei führe. Dabei sei die Türkei „wenigstens ein Land, das sich in diesen Fragen bewegt“.

Obwohl die 28 Innenminister im Vorjahr die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen haben, wurden bisher erst 937 in andere EU-Staaten verbracht. Österreich hat bisher keine freien Plätze gemeldet. Im Rahmen des EU-“Resettlements“ wurden seit Mitte 2015 4.555 Flüchtlinge aus Drittländern angesiedelt, davon 1.395 aus Österreich. Wobei in die Österreich-Zahl alte, teils noch von Ex-Außenminister Michael Spindelegger zugesagte Kontingente, miteinfließen.

Ungarn etwa will überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen, weil es dies nur als Anreiz für weitere Migranten sieht, nach Europa zu kommen. Vorantreiben wollen das Resettlement vor allem Deutschland und die Niederlande, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft führen. Als wahrscheinlich gilt, dass die EU-Staaten untereinander auch diesmal noch keine Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen finden werden, sondern weitere Treffen nötig sind. (APA)

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