„Bin kein aussichtsreicher Kandidat“
Jakob Bürgler leitet als Administrator die Diözese und verteidigt die offenen Ansätze in Innsbruck. Sehr nüchtern, sagt er, gingen sein Bruder Bernhard und er damit um, dass sie beide als Bischofsnachfolger im Gespräch sind.
Herr Bürgler, seit Mitte Jänner sind Sie Diözesanadministrator. Ist es schwer, eine Diözese ohne Bischof zu führen?
Jakob Bürgler:
Ich erlebe eine unterschiedliche Wahrnehmung. Einerseits sind mir viele Tätigkeiten vertraut, wie die Personal- und Verwaltungszuständigkeit, einige inhaltliche sowie die öffentliche Präsenz sind dazugekommen. Die neuen Aufgaben machen mir durchaus Freude und erfüllen mich positiv.
Als Administrator darf man keine weitreichenden Entscheidungen treffen. Lähmt das nicht die Diözese?
Bürgler:
Ich denke, dass wir gut aufgestellt und auf einem guten Weg sind. Der Druck, wichtige Entscheidungen zu treffen, ist derzeit nicht so groß. Deshalb kann man nicht von einer Lähmung sprechen.
Aber fördert das Führungsvakuum nicht Flügelkämpfe innerhalb der Diözese?
Bürgler:
Es gibt unterschiedliche Strategien und Kräfte, aber keine Flügelkämpfe. Das erlebe ich als gewisse Unruhe, doch es hält sich in einem gut verträglichen Rahmen. Schließlich ist die Vakanz auch ein Prozess des Ringens um eine gute Zukunft. Außerdem hat die Diözese ja eine Leitung.
Sie sprechen von unterschiedlichen Kräften, wen meinen Sie damit konkret?
Bürgler:
Das sind Personen, die mit dem bisherigen Kurs in der Diözese nicht so einverstanden sind und sich einen Kurswechsel wünschen würden. Sie haben mit den offenen Ansätzen Schwierigkeiten. Derzeit profilieren sie sich stärker in der Positionierung ihrer Inhalte.
Wie lange wird die Suche nach einem neuen Bischof noch dauern?
Bürgler:
Noch vor dem Sommer ist eine Ernennung eher unwahrscheinlich. Ich hoffe, dass die Vakanz begrenzt bleibt und heuer eine Entscheidung getroffen wird. Der päpstliche Nuntius Peter Stephan Zurbriggen hat den ersten Konsultationsprozess jetzt abgeschlossen.
Die Diözese hat selbst einen Dreiervorschlag für den Nuntius erstellt. Welches Anforderungsprofil benötigt der neue Bischof?
Bürgler:
Vor allem die Fähigkeit, in einer zunehmend pluralen Gesellschaft wirken zu können. Er muss mit unterschiedlichen Lebenskonzepten sowie Zugängen zu Kirche und Glauben gut umgehen können. Obwohl wir eine starke Tradition haben, ist Tirol keine geschlossene Gesellschaft mehr. Wir sollten das trotzdem nicht als Verlust sehen, sondern als Chance, eine neue Verortung von Religion und Glaube zu entdecken. Der Bischof sollte deshalb nicht ständig gegen den Zeitgeist auftreten, vielmehr die Zeichen des Geistes Gottes in der Zeit wahrnehmen.
Die Kirche darf sich also nicht verengen?
Bürgler:
Die Frage ist, wie gehe ich mit Winden um. Die einen bauen Mauern, um sich davor zu schützen, die anderen Windmühlen. Ich denke, dass Windmühlen besser sind. Papst Franziskus ermuntert uns außerdem, in die unterschiedlichsten Lebensfelder hineinzugehen und sich nicht in Binnenbereiche zurückzuziehen, wo alles klar und geregelt ist. Natürlich finden sich in der Kirche Gruppierungen, die eine andere Strategie forcieren. Doch ein Bischof, der aus diesem Umfeld käme, könnte sein Amt nicht ausüben. Er kann sich nicht ständig in Differenz zu den Menschen definieren.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Wünsche der Ortskirche bei der Bischofsernennung berücksichtigt werden?
Bürgler:
Ich baue hier auf Papst Franziskus. Er wünscht sich bei Personalentscheidungen eine starke Einbindung der Ortskirche und der Diözesen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Wunsch ernst genommen wird. Bei den jüngsten Bischofsernennungen wurde die Stimme der jeweiligen Diözese intensiver gehört. Das heißt aber nicht, dass die Anliegen deckungsgleich übernommen werden. In Innsbruck haben wir uns überlegt, welche Herausforderungen auf die Diözese zukommen, denen sich der neue Bischof stellen muss, und welche Persönlichkeiten grundsätzlich das Vertrauen dafür hätten.
Trotzdem lassen sich der Nuntius bzw. Rom nicht in ihre Karten blicken. Alles erfolgt hinter verschlossenen Türen.
Bürgler:
Eine Grundhaltung der primär internen Klärung gibt es auch in der Politik und in anderen Organisationen. Dass da jeder Bescheid weiß, stimmt so sicherlich nicht. Es gibt ein starkes Motiv der Vertraulichkeit, das finde ich gut.
Sie selbst werden ebenfalls als Bischofskandidat gehandelt. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Bürgler:
Meine Aufgabe ist es, eine Brückenfunktion von einem Bischof zum anderen wahrzunehmen. Wie der nächste Oberhirte heißt, weiß ich nicht. Wenn ich genannt werde, nehme ich das als ein Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens zur Kenntnis. Andererseits versuche ich, mich in diese Frage nicht stark einzulassen, weil ich nicht weiß, welche Aufgabe ich in Zukunft haben werde. Wenn sich aber gewisse Personen sehr stark ins Spiel bringen, frage ich mich schon, ob sie wissen, was sie tun.
Als Generalvikar waren Sie vor allem für die Verwaltung und Administration zuständig. Aber wie ist Jakob Bürgler als derzeitiger Chef der Diözese und als Kirchenmann einzuordnen? Wie beurteilen Sie etwa die Situation von wiederverheirateten Geschiedenen in der Kirche?
Bürgler:
Bisher war ich in der zweiten Reihe, aber als Berater von Bischof Manfred Scheuer auch inhaltlich involviert. Die Positionen, die Bischof Manfred vertreten hat, waren im Wesentlichen abgestimmt. Ich sehe in diesen Fragen große Übereinstimmung. Gerade was die wiederverheirateten Geschiedenen betrifft, erleben wir aktuell eine intensive Diskussion. Die Bischofssynode hat neue Zugänge zu diesem Thema. Es wird keine generelle Lösung geben, aber mehr auf die konkrete Situation geschaut, um die Betroffenen zu ermutigen, ihr Kirche-Sein auch leben zu können. Das ist ein ermutigender Schritt.
Ihr Bruder, Jesuitenprovinzial Bernhard Bürgler, wird ebenfalls als möglicher Bischof gehandelt. Ungewöhnlich, oder?
Bürgler:
Das ist etwas ganz Eigenartiges, aber ich habe den Eindruck, dass wir beide sehr nüchtern damit umgehen. Wir werden genannt, ja. Aber den Eindruck, dass wir aussichtsreiche Kandidaten wären, teilen wir nicht.
In Zeiten des Priestermangels ist es doch ungewöhnlich, dass zwei Brüder Priester werden. Zufall oder gibt es eine Erklärung dafür?
Bürgler:
Von unserem Elternhaus her hatten wir schon eine starke religiöse und lebenstragende Prägung — aber in aller Freiheit. Meine Eltern haben immer gesagt, für sie ist es wichtig, dass wir glücklich werden. Es gab eine positive Begleitung, als wir uns entschieden haben, Priester zu werden. Bei mir hat es viel mit der Pfarrgemeinde zu tun, die meine zweite Familie war. Meinen Bruder hingegen führte die spirituelle Suche zum Priesterberuf, deshalb auch seine Hinwendung zum Orden der Jesuiten. Grundsätzlich hatten wir ähnliche Wege, jedoch unterschiedliche Zugänge.
Wer hat die besseren Chancen aufs Bischofsamt: Sie oder Ihr Bruder?
Bürgler:
Da fragen Sie den Falschen. Es geht in der Kirche nicht um Chancen. Es ist durchaus eine Last, wenn jemand in die engere Auswahl für ein Bischofsamt kommt; verbunden mit einem guten Maß an Sorge, innerem Nachdenken und Belastung, weil die Aufgabe nicht leicht ist. Die Bischofsernennung ist eine Wendung im Leben eines Priesters, die gar nicht einfach zu bewältigen ist.
Wären Sie lieber Priester in einer Pfarre?
Bürgler:
Ich bin Seelsorger geworden, schon die Ernennung zum Generalvikar war eine Überraschung. Dass ich jetzt Diözesanadministrator bin, damit hätte ich nie gerechnet. Deshalb versuche ich offen zu sein für den Weg, der sich ergibt. Ich bin gerne Seelsorger; in welcher Funktion, das liegt nicht in meiner Hand.
Das Gespräch führten Alois Vahrner und Peter Nindler
Steckbrief
Jakob Bürgler (49): Bischof Manfred Scheuer ernannte 2005 den damals erst 38-Jährigen gebürtigen Lienzer zum jüngsten Generalvikar in Österreich. Nach der Matura 1985 studierte Bürgler an der Uni Innsbruck Theologie, Reinhold Stecher weihte ihn 1994 zum Priester. Danach war Bürgler zwei Jahre Kooperator in Hall und von 1996 bis 2005 Pfarrer in St. Martin in Wängle/Höfen sowie Pfarrmoderator in Lechaschau. Nach der Berufung Scheuers zum Linzer Bischof wählte das Konsultorenkollegium Bürgler zum Diözesanadministrator. Sein Bruder Bernhard ist seit 2014 Chef der Jesuiten in Österreich.