Reggae-Pionier gastiert im Treibhaus
Mit Lee „Scratch“ Perry ist heuer der Pionier des Reggae und Dub bei Heart of Noise zu Gast. Das Festivalzentrum wurde ins Treibhaus verlegt.
Innsbruck –Zuschreibungen für den für sein Alter wohl buntesten Vogel seiner Wahlheimat Schweiz gibt es zahlreiche, klingeln dürfte es bei vielen spätestens dann, wenn man vom Ziehvater Bob Marleys spricht. Das allein greift auf das musikalische Wirken Lee „Scratch“ Perrys besehen zwar zu kurz, zeigt aber auch, dass große Figuren der Musikgeschichte nicht immer auch die mit der größten Breitenwirksamkeit sind.
Als „Großvater der Popmusik, wie wir sie kennen“, hat kürzlich Die Welt Lee Perry bezeichnet, Anlass war der 80. Geburtstag des Mannes mit dem Beinamen „Scratch“, der einst das Mischpult als Instrument für sich entdeckte, und in seinem Black Ark Studio auf Jamaika ordentlich auf den Putz von Reduktion und gleichzeitiger experimenteller Anreicherung – etwa mit Hall, field recordings und allerlei anderen Effekten – haute. Mit Kollege King Tubby teilt sich Lee Perry den Ruf als Erfinder des Reggae und Dub, beim Heart of Noise Festival 2016 bildet der Auftritt des 80-Jährigen (4. Juni) quasi die Basis für eine Beschäftigung mit dem weit in die Großstadtclubs verzweigten und dort weiterentwickelten Dub-Universum vom Dubstep der Marke Kode 9 (3. Juni) bis zum Berlin-Techno von Porter Ricks (4. Juni).
Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten, und so stellen die Festival-Macher Chris Koubek und Stefan Meister der karibischen Vision von der Kapitalismus-Verweigerung ein, so Meister, „nihilistisches Heart of Darkness“ gegenüber: In dessen Zentrum stehen die Linzer Performanceveteranen Fuckhead, die in Innsbruck mit „Das Grauen“ den dritten Teil ihrer Aneignung von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ zeigen werden (3. Juni). Zum dichten Festival-Programm gehören u. a. auch die Schweizerin Aïsha Devi, Colin Statson mit Arcade-Fire-Violinistin Sarah Neufeld und Filmarbeiten über Lee Perry.
Neuer Festival-Hauptschauplatz ist das Treibhaus, der bisherige Standort Stadtsäle ist bekanntlich der Baustelle für das Haus der Musik gewichen. Ob sie nach dessen Fertigstellung dort willkommen sind, konnten Koubek und Meister bis heute nicht in Erfahrung bringen, würden es sich aber wünschen. Bei den Stadtsälen hat das Festival jedenfalls nicht zuletzt auch in puncto Vorplatzbelebung einiges erreicht. Es könnte durchaus auch für das Haus der Musik zum belebenden Faktor werden. (jel)