Brenner: Österreich will den Grenzzaun wegverhandeln
370 Meter beträgt die geplante Absperrung für die Grenzsicherung, sollte Italien Zugkontrollen nicht zulassen.
Von Peter Nindler
Brenner – Das internationale Medienecho ist gewaltig, die Präsentation der geplanten Grenzkontrollen und der baulichen Einrichtungen jedoch unspektakulär. Jedes Detail wird von den Scheinwerfern der Kameras beleuchtet, obwohl derzeit noch nichts auf ein verstärktes Flüchtlingsaufkommen hinweist. Wegen der Asylobergrenze von 37.500 Menschen wird jedoch Ende Mai/Anfang Juni am Brenner kontrolliert, dort, wo die Talsohle lediglich 299 Meter breit ist. „Ein Aufkommen von rund 400 Flüchtlingen pro Tag ist bewältigbar“, betont Landespolizeidirektor Helmut Tomac. Alles soll flüssig ablaufen, vor allem auf der Autobahn und der Bundesstraße. Personen- und Sichtkontrollen bei Tempo 30 kommen auf die Autofahrer zu, Rückstaus will die Exekutive vermeiden. „Beim Urlauberschichtwechsel werden sie sich aber nicht vermeiden lassen“, sieht es der Leiter der Verkehrsabteilung in der Polizei, Markus Widmann, allerdings realistisch.
Der geplante Grenzzaun an den Flanken ist nach wie vor das Reizwort. Österreich könnte darauf verzichten, „doch Italien müsste sich kooperativ zeigen“, betont Polizeidirektor Tomac. Zwei Bedingungen stellt die Exekutive: Bei Rückschiebungen müsste die Versorgung in Südtirol gewährleistet sein, damit es nicht zu chaotischen Situationen kommt „und sich die Flüchtlinglinge nicht andere Wege suchen, um die Grenze illegal zu passieren“. Zugkontrollen bereits ab Franzensfeste sind ebenfalls eine Voraussetzung, ansonsten müsste die Polizei ab dem Brenner in den Zügen Personenkontrollen durchführen und der Reiseverkehr dann in Steinach einen Sonderhalt einlegen. Verzögerungen wären laut Tomac unvermeidbar.
Für LH Günther Platter ist diese Alternative nicht akzeptabel, bereits beim Treffen mit Innenminister Wolfgang Sobotka und Südtirols LH Arno Kompatscher am Samstag in Innsbruck gab es eine Telefonkonferenz mit Italiens Innenminister Angelino Alfano. Heute reist Sobotka nach Rom, es gibt nämlich Anzeichen für ein Entgegenkommen Italiens. „Die Zwischenstopps in Steinach müssen vermieden werden. Insgesamt hängt es jetzt von Italien ab, ob die Kontrollen sanft oder umfassend erfolgen werden“, sagt Platter. Österreich wolle den Grenzzaun wegverhandeln, „aber wenn Italien nicht einlenkt, bleibt uns keine andere Wahl“.
Einmal mehr weist Landespolizeidirektor Tomac darauf hin, dass die Grenzkontrollen nicht von den baulichen Maßnahmen beeinflusst werden. Auch unabhängig davon, ob gerade Reisezeit sei wie zu Pfingsten, würden die Kontrollen starten, „sollten die Flüchtlingszahlen ansteigen“.
Die Pläne am Brenner
Brennpunkt Brenner
Der Druck auf die Tiroler Polizei ist enorm. Zum einen soll sie bis Ende Mai ein koordiniertes Grenzmanagement auf die Beine stellen, andererseits steht sie im Mittelpunkt des medialen Interesses. Rund 100 Journalisten berichteten gestern über die Grenzsicherung am historisch sensiblen Brenner. Er ist gleichzeitig die wichtigste Nord-Süd-Verbindung. Der deutsche Autofahrerclub ADAC rechnet bei Grenzkontrollen während der Sommerferien mit Wartezeiten für Autofahrer von bis zu zwei Stunden. Die Wirtschaft befürchtet Einbußen von einer Million Euro täglich. Italiens Premier Matteo Renzi bezeichnete die Grenzkontrollen am Mittwoch als dreisten Verstoß gegen die europäischen Regeln, gegen die Geschichte, gegen die Logik und gegen die Zukunft.
370 Meter Grenzzaun
„Der Zaun wird sicher nicht bis zu den Gipfelkreuzen errichtet“, räumt Landespolizeidirektor Helmut Tomac mit Mythen auf. Notfalls soll er unkontrollierte Grenzübertritte verhindern und gleichzeitig als Leitsystem wirken. „Es ist ein Maschendrahtzaun bzw. ein Flächengitter, das auf die vorgesehenen Träger montiert werden kann.“ Auf einer Länge von rund 500 Metern werden rund 370 Meter abgesichert. Die Fundamente werden errichtet, ursprünglich hätte bereits mit den Arbeiten begonnen werden sollen. Jetzt wartet man noch ab.
250 Beamte für Kontrollen
Drei bis vier Tage vor Beginn der Grenzkontrollen werden die Öffentlichkeit bzw. die Nachbarstaaten von den Grenzkontrollen informiert. Diese werden durchgehend, also 24 Stunden, erfolgen und stellen die Polizei vor enorme Herausforderungen. 250 Beamte werden am Brenner im Einsatz stehen, das Bundesheer unterstützt sie im Assistenzeinsatz. Zusätzliche 100 bis 150 Heeresangehörige dürften dann am Brenner ihren Dienst versehen. Wie es mit den Grenzkontrollen in Bayern weitergeht, steht bislang noch nicht fest.
1053 Asylanträge in Tirol
Die befürchtete Verlagerung der Flüchtlingsströme auf die Brennerroute ist das eine, die Zahl der illegalen Grenzgänger das andere: Allein mit den bislang 5100 registrierten Aufgriffen in Tirol werden die Grenzkontrollen von Innenminister Wolfgang Sobotka gerechtfertigt. Mit Beginn der Grenzsicherung werden die Flüchtlinge ohne gültige Einreisevoraussetzungen am Brenner registriert und zurückgewiesen. Flüchtlingsunterkünfte wird es am Brenner keine geben. In den ersten vier Monaten wurden in Tirol 1053 Asylanträge gestellt.