Der Nachtmahr

Posen von Wildheit und Traurigkeit

© Filmladen

Akiz erzählt in „Der Nachtmahr“ zwischen Horror und Drama von der Identitätssuche einer Schülerin.

Innsbruck –Im Filmvorspann fehlt es nicht an Hinweisen, die vor den Nebenwirkungen warnen. Also gibt es kein juristisches Nachspiel. Nur Hörschäden müssen in Kauf genommen werden, ein Insert verlangt maximale Lautstärke. Wenn der Vorführer der Anweisung folgt, wackelt das Parkett vom Technosound, Stroboskopeffekte prasseln auf die Netzhaut.

Entfesselt von Partydrogen und Wut auf den untreuen Adam zeigt Tina (Carolyn Genzkow) Posen von Wildheit und Traurigkeit. Zu Hause verhindern Geräusche aus der Küche den Schlaf. Tatsächlich lümmelt dort, eingerahmt von Dunkelheit, im schimmernden Lichtdreieck vor dem offenen Kühlschrank ein Wesen und schlürft ein rohes Ei. Entsetzt rennt das Mädchen in das elterliche Schlafzimmer, sagt „Darf ich heute bei euch schlafen?“, aber das ist ein ungünstiger Moment. Die Eltern nesteln nervös an Pyjama und Nachthemd, die Peinlichkeit ist schwer zu überspielen, aber Tina ist nicht zwölf, sondern steht kurz vor der Matura, sie fährt Auto, befindet sich damit auf dem sumpfigen Pfad der Adoleszenz, während Drehbuch und Inszenierung vorerst die Nervenkrise einer Pubertierenden vorgaukeln. Um nichts falsch zu machen, übergeben die Eltern ihre Tochter der Obhut eines Psychotherapeuten, der das Erlebnis der unheimlichen Begegnung mit dem fehlenden Wahrheitsbeweis („Hast du das Ding berührt?“) in den Bereich eines Albtraums schieben möchte. Nach einem Aufenthalt auf der Station eines prominenten Neurologen bedankt sich der Nachtmahr für die Diskretion mit Zutraulichkeit. Er schleppt sich auf Händen und Füßen aus der expressionistischen Lichtschranke und entpuppt sich als Gnom, der seine von E. T. entliehenen Finger nach dem Mädchen ausstreckt. Sagt nun jemand „Nach Hause telefonieren!“, dann kommt das nicht aus den Kinolautsprechern, denn das fette Wesen bringt nicht viel mehr als zirpendes Wimmern zustande.

Zehn Jahre lang arbeitete der Künstler Akiz an der Gestaltung dieses Wesens, das in seinem für 100.000 Euro gedrehten Spielfilmdebüt „Der Nachtmahr“ zum Sympathieträger wird. Vor seiner Neuerfindung hieß Akiz allerdings Achim Bornhak, der als Student der Filmakademie Baden-Württemberg schon einmal für den Oscar nominiert wurde und für den frühen Ruhm mit dem Regieauftrag zur Kommunen-Klamotte „Das wilde Leben“ über Uschi Obermaier, das deutsche It-Girl der 60er-Jahre, belohnt wurde. Neben dem romantischen Horror und der eher verwirrenden Coming-of-Age-Geschichte erzählt der Film auch von diesen Erfahrungen, denn „Der Nachtmahr“ unterscheidet sich auf drastische Weise von den anderen Filmen, die zurzeit im Kino zu sehen sind. Akiz sieht den Film als „Narcotic-Mindfuck-Melodram“, beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken, wo „Der Nachtmahr“ die Preise der Jugendjury und der Ökumenischen Jury gewann, will er die lobende Definition „Neues Deutsches Fantastisches Kino“ aufgeschnappt haben. (p. a.)

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