Festival

Sonische Halluzinationen und elektronische Waldgänge

© dani jarosch

Das „Heart of Noise“-Festival präsentiert sich einmal mehr mit großartigem Line-up. Dieses Mal im Treibhaus.

Innsbruck –Die Innsbrucker Stadtsäle sind Geschichte, Geschichten von Gegenwartskulturen werden beim „Heart of Noise“-Festival aber freilich fortgeschrieben, nur eben an einem anderen Ort: Das wohlkuratierte Festival hat in seinem sechsten Jahr eine neue Bleibe im Treibhaus gefunden – zumindest vorläufig. Das Publikum verläuft sich hier jedenfalls leichter als in den Stadtsälen: Nicht alle, die mit Jacques Palminger (Studio Braun, Fraktus) und seinen Kings of Dub zum Auftakt am Donnerstagabend im Treib­hausgarten feierten, waren nach dem Ausflug auf die „Dark Side of Dub“ (O-Ton Palminger) pünktlich im Treibhaus Turm angelangt. Das heißt rechtzeitig, um von Anfang an Teil des Tonexperimentes des Niederländers Thomas Ankersmit zu sein und seinen sonischen Halluzinationen anheimzufallen.

Einen ersten Höhepunkt hatte das Publikum bereits mit The Kings of Dub erlebt, wie der gewitzte Jacques Palminger glaubhaft versicherte. Nach dem Eröffnungs-Höhepunkt freilich, den das in Innsbruck ansässige, vielköpfige Traurige Tropenorchester mit seinem hübsch inszeniertem „Konsolen-Shoegaze“ bereitete. Ganz andere Töne ließ Ankersmit in seiner Performance anklingen: nämlich solche, die gar nicht gehört werden, sondern vom Innenohr als Reaktion auf Stimuli der Außenwelt erzeugt werden, wie das Programmheft informiert. Das Tonexperiment „Otolith“ wurde auch zur körperlichen Grenzerfahrung mit vor allem eingangs schmerzhaft hochfrequenten Tönen und schweren Bässen, die durch den Oberkörper wummerten.

In eine seltsam betörende Welt, irgendwo zwischen Wach- und Traumzustand, entführten im Anschluss der kanadische Virtuose Colin Stetson und Sarah Neufeld (beide u. a. bekannt durch Arcade Fire) mit ihren klug geschichteten Texturen. Der Sound, der im Zusammenspiel des Bass- bzw. Tenorsaxofonisten und der Violinistin entsteht, lässt sich nur schwer verorten.

Leichter macht es da der Düsseldorfer Produzent und Mastering-Engineer Stefan Betke alias Pole, der zum Abschluss „Wald“ präsentierte, ein Album, das Betkes Liebe zu Dub und Reggae offenbart. Heftige Bässe zu einem relativ frühen Abschluss (um kurz nach halb eins) – Tag eins lässt auf viele Fortschreibungen des „Donaufestivals des Westens“ (FM4) hoffen, das heuer – ausgehend von jamaikanischer Reggae- und Dub-Musik – noch bis Sonntag auf Erkundungstour lädt. (sire)

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