Interview

„Ein Ei begackert man, nachdem es gelegt ist“

Die TT und die VN trafen Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) am Rande des Roland Berger Summernight Symposiums in Wien.
© Roland Berger GmbH/APA-Fotoservi

Europas Ziel bei Investitionen wurde zu einem Drittel bereits erreicht, sagt Wilhelm Molterer, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank.

Der EU-Investitionsfonds EFSI soll Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro auslösen. Was ist der aktuelle Stand?

Wilhelm Molterer: Wir stehen jetzt bei etwas über 106 Mrd. Euro. Das ist einerseits positiv. Andererseits offenbart es Nachholbedarf, vor allem in den jüngeren Mitgliedsstaaten bei der Projektentwicklung und –qualität; auch in Märkten wie Österreich, wo Kapitalmarktinstrumente wie PPP-Finanzierungen (Anm., die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen) nicht gerne gesehen oder nicht sehr bekannt sind.

Ist das Angebot zu wenig attraktiv für die Investoren?

Molterer: Nein. Wir haben nach dem ersten Jahr bereits ein Drittel des angestrebten quantitativen Ziels erreicht. Der qualitative Teil, also die anspruchsvolleren Finanzierungen in Forschung und Entwicklung, braucht aber noch etwas Zeit.

Im EU-Parlament wurde die Risikobewertung der Projekte kritisiert. Würden Sie dem zustimmen?

Molterer: Alle Projekte erfüllen den Anspruch des höheren Risikoprofils. Die Banken und Unternehmen haben Geld, aber dieses Risiko können sie nicht tragen.

Wie viele der Projekte wären auch ohne den EFSI finanziert worden?

Molterer: Diese Projekte gäbe es ohne diese Garantien nicht in der Form oder nicht in dem Ausmaß.

In Österreich wurde vor Kurzem das Projekt „Energiepark Bruck“ unterzeichnet, das mit EFSI-Garantien abgesichert ist. Gibt es noch weitere Projekte in Österreich, die mit Hilfe von EFSI angegangen werden?

Molterer: Wir unterstützen die Wiener Spitalsentwicklung durch den Krankenanstaltenverbund. Ein Teil des Vorhabens ist bereits in der Realisierung.

Stehen noch andere Projekte in Österreich an?

Molterer: Es gibt einige interessante Infrastrukturvorhaben in Österreich, aber vor allem ein starkes Interesse jener Betriebe, die forschungs- und innovationsintensiv sind.

Konkrete Projekte?

Molterer: Ein Ei begackert man, nachdem es gelegt ist, weiß die Henne.

Sie haben Anfang des Jahres von Projekten im Breitbandausbau gesprochen.

Molterer: Diese sehe ich nicht mehr. Die Struktur der österreichischen Breitbandförderung hat zu einer Fülle von kleinen Projekten geführt. Das halte ich für suboptimal.

Suboptimal für eine EFSI-Finanzierung oder an sich?

Molterer: Ich habe mir gedacht, dass es eine interessante Initiative für Österreich wäre, eine Breitbandstrategie und Errichtungsstruktur zu schaffen, die österreichweit agiert. Das ist nicht zustande gekommen, weil die Bundesländer eine derartige bundesweite Strategie nicht wollten.

Ist das hinderlich?

Molterer: Ich bin ein Vertreter des Föderalismus – dort, wo er Sinn macht. Ein Schwarz-Weiß-Denken halte ich hier aber eher für blockierend.

Die EU-Kommission will den EFSI über 2018 hinaus verlängern. Wie stehen Sie dazu?

Molterer: Der Kapitalmarkt ist in einer Situation, in der es dieses Instrument braucht. Nach dem, was die EZB jüngst entschieden hat, gehe ich davon aus, dass auch im Jahr 2018 noch nicht Milch und Honig fließen werden. Es wird sich außerdem die Frage stellen, ob sich der EFSI bewährt hat. Es ist aber durchaus rational, ihn parallel zur Budgetperiode bis Ende 2019 zu verlängern.

Es war angesichts der Flüchtlingsbewegung ein Investitionsplan für Drittländer im Gespräch. Was ist hier der aktuelle Status?

Molterer: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine Diskussion angeregt, ob es notwendig wird, in den Herkunftsregionen mehr zu tun. Es braucht eine effizientere Struktur, die in Richtung einer europäischen Entwicklungsbank gehen soll. Das Modell kann durchaus ähnlich zum EFSI sein.

Wäre das eine Zweigstelle der EIB?

Molterer: Das ist noch offen, aber die EU-Bank steht bereit, sich hier zu engagieren.

Wie stehen Sie zu TTIP?

Molterer: Europa und auch Österreich im Besonderen – bei einer Exportquote von 60 % – kann es sich gar nicht leisten, vom Welthandel fernzubleiben. Natürlich gibt es Sorgen, die berücksichtigt werden müssen, aber im Prinzip sind Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA ein absolut richtiger Weg, um wirtschaftlichen Fortschritt zu bringen.

Das Gespräch führten Serdar Sahin und Birgit Entner (VN)