Verworrene Schiffsmeldungen
„Das Narrenschiff“ am Volkstheater: Parízeks Bühnenadaption von Katherine Ann Porters Bestseller kämpft mit schwerem Seegang.
Von Bernadette Lietzow
Wien – Den Atem an diesem langen Premierenabend raubte einem leider nicht das Bühnengeschehen, sondern die Hitze. Gemäß dem mutmaßlich bewussten Gebot „Zwischendeck für alle“ durften Publikum wie Darsteller um die Wette schwitzen.
Wie im vergangenen Jahr – zum Auftakt der Intendanz Anna Badoras mit Gerhard Fritschs „Fasching“ – stand wieder eine Romanadaption am Beginn der neuen Volkstheatersaison. „Das Narrenschiff“ (1962) der Texanerin Katherine Ann Porter, als Buch ein Bestseller, ist in den Köpfen vor allem durch Stanley Kramers Verfilmung mit Vivian Leigh, Simone Signoret, Lee Marvin und Oskar Werner nach wie vor präsent. Der tschechische Regisseur Dušan David Parízek schuf nun eine eigene Bühnenfassung und versuchte, dieser Parabel von menschlicher Verführbarkeit, Angst und Sehnsucht mit den drängenden Fragen der Gegenwart zu begegnen. An Bord des Schiffes, das sich 1931 vom mexikanischen Veracruz in Richtung Bremerhaven aufmacht, begegnen einander die unterschiedlichsten Nationalitäten und Temperamente. Das junge amerikanische Malerpaar, die drogensüchtige spanische Gräfin, der treudeutsch-rassistische Verleger, der jüdische Devotionalienhändler, der herzkranke Arzt, die desillusionierte Mitvierzigerin, dazu noch eine Zarzuela-Truppe.
Auf dem Zwischendeck drängen sich spanische Landarbeiter, die wegen des Zuckerpreisverfalls ihre Arbeit auf Kuba verloren haben. All das Personal und deren Geschichte(n) versucht der Regisseur und Bühnenbildner nun auf seine Art freizulegen, wobei sich Porters prägnante Charaktere leider gleichsam auflösen. Links und rechts der leicht ansteigenden Planken-Fläche nehmen die Schauspieler immer wieder an Garderobentischen Platz, ihren Kabinen. Hier schminken sie sich ihre Gesichter für den Abschiedsabend plakativ weiß, beobachten einander oder verharren in seltsamen Bewegungen, während, in einer der wenigen beeindruckenden Szenen, Lukas Holzhausen als Julius Löwenthal eine quälend-zynische Suada über das Jüdisch-Sein vom Stapel lässt.
Der mehrfach ausgezeichneten Stefanie Reinsperger bleiben solche Momente versagt, einzig darf ihre „Condesa“ zeitweilig in Wiener Slang, Reinspergers Fachgebiet, verfallen. Nur in Spurenelementen vorhanden sind auch die Figuren der Amerikanerin Margret Treadwell (Anja Herden) oder der NS-Göre Lizzi Spöckenkieker (Seyneb Saleh). Rainer Galkes Siegfried Rieber, wortgewaltig in Unterhemd, steckt fest in einer eindimensionalen Auslegung des rechten Wortführers am Kapitänstisch, Jan Thümer muss sich als William Denny mit halbherzigen Kalauern abmühen und Gábor Biedermanns „Wilhelm Freytag“ hat wie Katharina Klars „Jenny Brown“ wenig Raum, einen Charakter zu erzählen.
Man ahnt, dass Parízek dieses Zerrbild menschlicher Schwäche, deren enge Verwandte die Barbarei ist, auf die Bühne setzen will, für den Zuschauer erschließen sich seine durchaus von schönen Ideen flankierten Wege nicht wirklich.