Pannenserie bei Wahlkarten: Auch Fall in Innsbruck aufgetaucht
Immer mehr Fälle von sich nachträglich auflösenden Verklebungen bei Wahlkarten werden bekannt. Auch Innsbrucker sind darunter. Das Innenministerium ist auf Fehlersuche.
Wien, Innsbruck – Der junge Innsbrucker ist verunsichert: Er hat am Montag seine Wahlkarte ausgefüllt und unterschrieben. Als er sie gestern endlich in den Postkasten werfen wollte, stand das Kuvert an einer Seite aber einige Zentimeter offen. Eigentlich ist seine Stimme damit ungültig – ohne sein Verschulden.
Der Tiroler ist nicht der Einzige, der mit dem Phänomen einer sich nachträglich öffnenden Wahlkarte konfrontiert ist. Die Ursache sieht das Innenministerium bei der Druckerei in Oberösterreich. Diese müsse endlich eine Erklärung liefern. Die Geduld des Ministeriums sei „langsam zu Ende“, sagte der Sprecher des Ressorts. Verfassungsrechtler denken unterdessen schon an eine mögliche Verschiebung der Wahl, wenn sich die Pannenserie ausweiten sollte.
Im Innenministerium sind in den vergangenen Tagen mehrere derartige Fälle bekannt geworden. Das Ressort hält aber an seiner Linie fest, die sich aus dem Bundespräsidentenwahlgesetz ergebe: Ein Austausch einer beschädigten Wahlkarte ist nur möglich, solange sie nicht unterschrieben und verklebt ist. Produktionsfehler sind im Gesetz nicht berücksichtigt – daran habe einfach niemand gedacht, meint Robert Stein, Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium.
Wahlkarten bei geringer Beschädigung gültig
Was also sollen Wählerinnen und Wähler tun, die ihre Wahlkarte schon fertig ausgefüllt und unterschrieben haben, bevor die Verklebung sich gelöst hat? Zuständig sei die Bezirkswahlbehörde, sagte Stein zur TT. Diese Behörde könne die Wahlkarte zulassen, wenn die Beschädigung nicht so stark ist, dass das Wahlkuvert im Inneren ausgetauscht worden sein könnte. Stein rät auch davon ab, das Kuvert selbst neu zu verkleben: „Es könnte daraus eine Manipulation abgeleitet werden. Das könnte auch wieder zur Nichtigkeit führen.“
Die einzige Richtlinie, die Wahlexperte Robert Stein aus dem Innenministerium den Wahlbehörden zur Behandlung beschädigter Wahlkarten geben kann, ist das Bundespräsidentenwahlgesetz. In Paragraf zehn sei geregelt, wann eine Wahlkarte „nichtig“ ist – dann nämlich, wenn sie so beschädigt ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass jemand den Stimmzettel im Inneren der Karte ausgetauscht hat. Und in Paragraf fünf heißt es, dass ein Duplikat für eine unbrauchbar gewordene Wahlkarte nur dann ausgefolgt werden könne, wenn die Karte noch nicht unterschrieben und zugeklebt ist.
Jedenfalls rät der Abteilungsleiter, Wahlkarten vor dem Ausfüllen auf ihre Festigkeit zu überprüfen. Löst sich die Verklebung, kann die Karte (wenn sie noch nicht unterschrieben ist) bei der Gemeinde ausgetauscht werden.
Verfassungsexperten denken über Verschiebung nach
Seit gestern steht fest, dass sich das Problem beschädigter Wahlkarten auswächst. Verfassungsexperten denken schon darüber nach, was die Folgen sein könnten. Heinz Mayer denkt im Standard über eine Verschiebung nach. Auch Kollege Theo Öhlinger würde über einen neuen Termin nachdenken, wenn die Zahl schadhafter Karten „in die Tausende“ gehen würde. Wie Bernd-Christian Funk sieht Öhlinger laut APA aber keine rechtliche Handhabe für eine Verschiebung. Das sagt auch Stein: Eine Verschiebung sei im Gesetz nicht geregelt – so wie auch Produktionsfehler nicht thematisiert würden.
Noch kennen das Innenministerium und die Druckerei in Oberösterreich die Ursache für das Auflösen der Kuverts nicht. Die Druckerei soll bis heute eine Antwort liefern. Parallel dazu untersucht das Ressort fehlerhafte Karten auch selbst.
Noch vor der Stichwahl soll bei einem Termin mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Vertretern der Parlamentsparteien der Startschuss für eine umfassende Reform des Wahlrechts erfolgen. Diese Reform soll – auch für Nationalratswahlen – die Erkenntnisse aus der Aufhebung der ersten Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof berücksichtigen. „Es geht darum, das Wahlrecht praxistauglich zu machen“, sagte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl zur TT.
FPÖ stellt unliebsame Briefwahl zur Debatte
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht sich durch die schadhaften Kuverts in seiner Ablehnung der Briefwahl bestätigt. „Fassungslos. Dieser Briefwahlirrsinn gehört abgeschafft“, schrieb er auf Twitter. Die FPÖ schneidet bei den Briefwahlstimmen meist schlechter ab als bei der Gesamtheit der Stimmen – so auch im ersten Durchgang der Stichwahl, in dem erst die Briefwahlstimmen den Ausschlag für Alexander Van der Bellen und gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer gebracht hatten.
Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl rief dazu auf, sich von den Pannen nicht abschrecken zu lassen und wählen zu gehen. (sabl)