Häme für Österreich nach Wahlchaos: ,,Loriot hätte seine Freude gehabt“
Der Ruf Österreichs scheint durch die Verschiebung der Wiederholung der aufgehobenen Stichwahl nachhaltig beschädigt. Internationale Zeitungen zeichnen ein Besorgnis erregendes Bild.
Wien – Seit Montag ist es amtlich: Die Wiederholung der Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten muss verschoben werden. Dieses wiederholte Schlamassel rund um die Wahl der höchsten Position im Staat machte weit über die Landesgrenzen hinaus Schlagzeilen. Stimmen aus dem deutsch- und fremdsprachigen Ausland:
El Pais (Madrid):
„Neuer Schlag für das internationale Ansehen Österreichs. [...] Jetzt nötigt ein technischer Fehler die Regierung einen Urnengang auf 4. Dezember zu verschieben, der außerhalb des Landes eine unüblich hohe Aufmerksamkeit erregt hatte. Einmal wegen des höchst knappen Resultats, vor allem aber wegen der Möglichkeit, dass ein Rechtsextremer erstmals in der modernen Geschichte Österreichs die Staatsspitze erklimmen könnte. Die kafkaeske Situation, in der sich das Land befindet, erlaubt es dem ultrarechten Hofer zu insinuieren, dass hinter der Verschiebung politische Motive stecken.“
Süddeutsche Zeitung (München):
„Loriot hätte seine Freude an dieser Pressekonferenz gehabt. Sobotka referiert über die ‚technische Situation des Klebers‘ oder über dessen ‚technisches Gebrechen‘. Herrlich komische Formulierungen wären das, wenn es nur nicht so peinlich wäre. Die Republik hat seit Monaten kein reguläres Staatsoberhaupt mehr.“
Neue Zürcher Zeitung“:
„Die Unfähigkeit der Behörden untergräbt in rasendem Tempo das Vertrauen in die Demokratie. Dieses war bereits angekratzt durch die Klüngelei der Großparteien, Wachstumsschwäche und politischen Stillstand. Dass der Rechtspopulist Norbert Hofer von der FPÖ fast die Hälfte der Stimmen erhielt, hätte als Warnschuss eigentlich genügen müssen. Auch der versprochene Neuanfang unter Kanzler Kern ist abrupt zum Stillstand gekommen.
In diesem Klima gedeihen Zynismus und Verschwörungstheorien. Hofer und sein Parteichef Strache versuchten postwendend, die Klebstoff-Affäre als Inszenierung darzustellen, die darauf abziele, Hofers unvermeidliche Präsidentschaft zu verzögern. Mit solchen Andeutungen spielen sie mit dem Feuer.“
The Guardian (London):
„Die (Wahl-)Verschiebung ist äußerst peinlich für Österreich und die Regierung von Kanzler Christian Kern. Österreich ist seit 8. Juli, als Heinz Fischer abtrat, ohne Präsident.“
Le Monde (Paris):
„Der Innenminister hat keinen Versuch unternommen, seine absolute Hilflosigkeit angesichts dieses für die Europäische Union beispiellosen Chaos zu verstecken. [...] Die Ereignisse bringen Österreich in eine besorgniserregende und nie da gewesene Lage, und das angesichts der Bedrohung, dass erstmals seit 1945 in Europa ein Präsident der extremen Rechten gewählt werden könne. [...] Der österreichische Präsident, wer immer es wird, wird schlecht gewählt worden sein, unter unglaublichen Bedingungen. Die demokratische Legitimität eines Landes wird geschwächt, dass einst eines der stabilsten des Kontinents war und nun polarisiert ist zwischen einem konservativ-nationalistischen Lager und dem der Sozialliberalen.“
Tageszeitung (taz) (Berlin):
Welche Auswirkungen kann dieses Fiasko auf die Wahl haben, die voraussichtlich Anfang Dezember stattfindet? Alexander van der Bellens Wahlkampf hatte in den letzten Wochen viel Momentum, unzählige Initiativen aus der Zivilgesellschaft machen sich für ihn stark – dieser Lauf ist jetzt durch die neuerliche Panne erst einmal gestoppt. Zugleich positioniert sich sein Gegner als Anti-Establishment-Kandidat, und die FPÖ trommelt fleißig, dass ‚das System‘ diesen Wahlkartenskandal verursacht hat. Alles, was Zorn auf die Regierung begründet, hilft zunächst dem Anti-System-Kandidaten. Aber die Polarisierung und die zunehmend radikalisierte Anti-System-Rhetorik, in die sich die FPÖ hineinschraubt, kann letztlich auch dem grünen Kandidaten nützen.“
Nürnberger Nachrichten:
„Nun ist – das lässt sich in Österreich genauso wie in Deutschland und den USA beobachten – gerade auf der politischen Rechten die Einstellung weit verbreitet, sich die Welt so zu machen, wie sie einem gefällt. Geht die Wahl zur eigenen Zufriedenheit aus, wird sie als Aufbegehren ‚des Volkes‘ gegen „das Establishment“ gedeutet. Wird sie verloren, dann muss Betrug vonseiten dieses ‚Establishments‘ vorliegen. Damit letztere Behauptung nicht auf fruchtbaren Boden fällt, darf an einer Richtungswahl wie der in Österreich - und dem Ergebnis, das sie bringt - am Ende nicht der Hauch eines Zweifels bestehen.“
Stuttgarter Nachrichten:
„Auf der Strecke bleibt das Vertrauen, dass Richter und Wahlbehörden brauchen, um zu arbeiten. Stattdessen wird Verschwörungstheorien noch weiter Tor und Tür geöffnet. Schon arbeitet die FPÖ daran, die erneute Verschiebung als taktisch motiviertes Komplott der angeblich ins Hintertreffen geratenen anderen Parteien zu diffamieren - um selbst abseits allen Rechts ein Verbot der für sie in der Regel weniger erfolgreichen Briefwahl zu fordern. Manche Österreicher fragen bereits defätistisch, wozu das Land überhaupt einen Präsidenten braucht, wo es bisher doch ganz gut ohne ausgekommen ist. Das aber legt populistisch die Axt an die Wurzel der Republik.“