Bühne

“Rusalka“: Leben und Tönen der Natur

© Rupert Larl

Großartig gelungene Tiroler Erstaufführung von Antonín Dvorˇáks lyrisch-elementarem Opernmärchen „Rusalka“ am Tiroler Landestheater.

Von Ursula Strohal

Innsbruck –„Tschuri nuri fuk“, zaubert die Hexe, und aus der Nixe wird ein Mensch. Es geht auch umgekehrt: Ein gelähmtes Mädchen träumt sich über die Projektion einer Nixe in ein Leben der Liebe und Befreiung. Der szenische „Rusalka“-Ansatz am Tiroler Landestheater gleicht jenem von Verdis „Troubadour“ vor zwei Jahren bei den Salzburger Festspielen: Für eine junge Frau, allein im Museum, werden Bilder lebendig, die Figuren ziehen sie hinein in ihre Geschichte.

„Rusalka“ bedeutet im Tschechischen „Wassernixe“ und wird zum Namen für das Mädchen im Rollstuhl, das mit seiner Familie ein Museum besucht und vor einem Nixenbild allein bleibt. Seine Sehnsucht nach dem Leben einer Frau belebt die Wasserwesen, seine Beine gleichen im seitlichen Liegen einer Schwanzflosse.

Regisseur Thilo Reinhardt holt mit einer herausragenden Inszenierung Dvorˇáks lyrisches Märchen vom Mut und der Größe der Rusalka auf die menschliche Ebene, ohne die Welt der Wassergeister zu verraten. Das Medium ist Traum und Albtraum, erreicht wird eine faszinierende Vielschichtigkeit. Reinhardt gelingt eine Personenführung, die inklusive seiner Detaildeutung die Geschichte mehrdimensional erzählt.

Die sichtbare Welt dafür hat ihm der Innsbrucker Bühnenbildner Paul Zoller geschaffen. Er führt in ein Museum, dessen Vitrinen einen Hauch Realität bewahren, auch wenn sich die junge Frau gänzlich mit Rusalka identifiziert. Die Wasserwelt ist eine winterliche, auf einer Eisscholle tummeln sich die Nixen, die den Wassermann necken, da taucht die Hexe auf und auch der Prinz mit seinen Jägern. Im dritten Akt, wenn Rusalka vom Prinzen betrogen wird und zurückkehrt, ohne wieder in ihre Welt Eingang zu finden, wenn sie irrlichternd umherirrt in Eiseskälte und Nebelschwaden zwischen Leichen und seltsamen Dirndl-Marionetten, mit denen der Tirol-Heimkehrer die Atmosphäre empfindlich stört, sind das Endzeitbilder. Auf der Suche nach dem verlorenen Glück kehrt der Prinz todestrunken noch einmal zurück und stirbt unter ihrem Kuss.

Rusalka hat die Menschwerdung mit dem Verlust ihrer Sprache teuer erkauft, die unmenschlichen Menschen machen ihr Angst wie die Sexualität des Prinzen – er lebt sie am Hochzeitstag, nachdem er sich gewaltbereit zeigte, bei der fremden Fürstin aus. Das tratschende Personal im Schloss verwandelt Reinhardt in Butler (Joshua Lindsay) und Hausdame (Camilla Lehmeier), ihren Auftritt im dritten Akt streicht er. Zoller zeigt beeindruckende Bilder, die ihm Ralph Kopp fabelhaft ausleuchtet, Ulrike Schlemm kleidet die Protagonisten ausdrucksgemäß ein, die Hexe verträgt einen Schuss Komik. Im Werbetext ist zu lesen: „Unterstützt wird die optische Gestaltung durch die farben­reiche Musik Antonín Dvorˇáks.“ Ernsthaft? Dvorˇáks Musik ist kein billiger Stimmungsmacher – sie ist, äußerst zart und im Kontrast kraftvoll, Elementarisches hörbar machend, das wundersame Herz der Aufführung, noch dazu in tschechischer Sprache. Francesco Angelico entlockt dem hinreißend schön spielenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck reiche Details, prachtvolle Naturklänge, Zärtlichkeit und dramatische Durchsetzung. Orchester und die stimmlich wie darstellerisch vorzüglichen Sänger bilden ein wunderbares Ganzes. Anna-Maria Kalesidis ist eine wirklich mädchenhafte Rusalka, erwachend und träumend, zuletzt gereift, ihren Sopran verströmend. Der Prinz des Dominik Sutowicz hat wahrhaft edle Töne, der weich fließende Bass von Michael Hauensteins Wassermann betört geradezu. Jennifer Maines Fürstin ist wirkungsvoll an Wagners Venus geschult und Susan Maclean eine mächtige Hexe. Wohlgestimmt die Nixen Susanne Langbein, Christiane Belanger und Diana Selma Krauss.