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Sorge um das Styropor: Dämmstoff in der Imagekrise

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Das oft verwendete Dämmmaterial Styropor ist in der Imagekrise. In Deutschland gilt das Material in der Entsorgung nun als Problemstoff. In Österreich soll das nicht kommen.

Von Andrea Wieser

Innsbruck — Wärme ist das, was der Mensch im Tiroler Winter braucht. Und damit diese nicht nur erzeugt wird, sondern auch im Hausinneren bleibt, wird gedämmt. Gerne mit Styroporplatten, Fachleute nennen das Polystyrol. Dass es das Material überhaupt gibt, ist einem Apotheker aus Berlin zu verdanken. Eduard Simon experimentierte 1839 mit dem Harz des Storaxbaums. Andere entwickelten den Stoff weiter bis zu dem, was wir heute in Kügelchenform für Verpackungen kennen oder als harte, leichte Platte beim Hausbau.

Nun steckt das extrem leichte Material in der Imagekrise. Seit Anfang Oktober gelten Styroporplatten in Deutschland gemäß einer EU-Verordnung als Sondermüll, da die Verbrennung in einfachen Hausmüllanlagen verboten wurde. Schuld daran ist aber nicht das Styropor selbst, sondern ein beigemengter Stoff, das sogenannte Hexabromcyclododecan (HBCD). Dieses wurde als Flammschutzmittel eingesetzt, denn die Platten sind ohne Schutz sehr leicht brennbar — nicht gerade ideal für den Hausbau.

An der Wand verbaut ist der Stoff nicht giftig. Nur bei der Verbrennung wird es gefährlich. In Deutschland dürfen die Platten nur noch in Müllverbrennungsanlagen mit speziellen Filtern entsorgt werden. Die Konsequenz: Es drohen Engpässe bei der Entsorgung des Materials, das z.B. beim Abbruch eines Hauses in großen Mengen anfällt.

In Österreich ist eine Änderung der Regelung nicht vorgesehen, da es einen Unterschied in der abfallrechtlichen Einstufung der Baustoffe gibt. Magdalena Rauscher-Weber, Sprecherin des Umweltministeriums, argumentiert: „In Österreich sind HBCD-haltige Styroporabfälle nicht als gefährliche Abfälle eingestuft — sie dürfen daher ebenfalls in Hausmüllverbrennungsanlagen mitverbrannt werden." Darüber hinaus gehe man laut aktueller Studienlage davon aus, dass bei Verbrennung das Flammschutzmittel komplett zerstört werde.

Dennoch ist das Material umstritten. Experten für nachhaltiges Bauen sehen den Styroporeinsatz kritisch. Fünf Fakten zu einem viel diskutierten Stoff:

Was ist Styropor eigentlich? Der Fachbegriff lautet Polystyrol. Styropor ist ein Erdölprodukt. „Und natürlich wollen wir die Erdölnutzung reduzieren", argumentiert Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GPH-Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum. „Aber man muss wissen, dass Styropor zu 98 Prozent aus Luft besteht." Der Anteil der Erdölnutzung sei deswegen sehr gering.

Wozu wird Styropor in Österreich verwendet und produziert? Laut einer Statistik der Gemeinschaft Dämmstoff liegt Schaumstoffanteil (dazu zählt auch Styropor) bei der Dämmung in Österreich bei rund 40 Prozent. Mehr verwendet wird nur noch Mineralwolle. Grundsätzlich werden seit Mitte 2014 in Österreich keine Platten mehr mit dem Flammschutzmittel HBCD hergestellt. Die Produktion von Styropor als Verpackungsmaterial ist in Österreich sehr gering.

Wie wird recycelt? Dämmplatten aus Styropor, die etwa in Häusern verbaut waren, werden in Hausmüllverbrennungsanlagen entsorgt. Haushaltsmüll, der Teil einer Produktverpackung war, kommt in den Leichtverpackungscontainer.

Wie ökologisch ist Styropor als Dämmstoff? Laut der aktuellen Umwelt-Produktdeklarationen, einem Öko-Label zur Einschätzung der Umweltfreundlichkeit eines Produkts, schneidet Styropor sehr gut ab. Der Grund: Bei der Herstellung von Styropor wird insgesamt betrachtet weniger Energie verbraucht als bei Alternativen wie Mineralschaum und Holzfaser.

Dennoch ist man im Bereich des nachhaltigen Bauens auf der Suche nach neuen Ansätzen mit dem Ziel, auf nachwachsende Stoffe zu fokussieren.

Hat Styropor als Dämmstoff Zukunft? Dazu gibt es so viele Meinungen wie Akteure. Laut Branchensprecher Demacsek unbestritten „Ja". Bei der Medienstelle für nachhaltiges Bauen in Wien sieht man das kritischer, wenngleich Sprecher Helmut Melzer meint: „Den idealen Dämmstoff haben wir noch nicht gefunden. Das ist vergleichbar mit der Idee vom perfekten, ökologischen Produkt, das bio sein soll, fair und von guter Qualität." Da stecke man sich die Ziele leider zu hoch.

Einig ist man sich beim prinzipiellen „Ja" zum Dämmen, da die Klimaschutzziele Österreichs sonst gar nicht erreichbar wären.