Unfälle im Gebirge: ,,Besser, es stirbt nur einer“
Das Gehen am kurzen Seil und Mitreißunfälle im Gebirge sind ein Thema beim Alpinforum im Rahmen der Alpinmesse – ein Grund dafür ist Faulheit und Bequemlichkeit, sagt Petzl-Vizepräsident Klaus-Peter Popall.
Von Irene Rapp
Innsbruck –Mitreißunfälle im Hochgebirge kommen häufig vor. 2013 etwa stürzten innerhalb weniger Tage auf der Königsspitze im Südtiroler Ortlergebiet zwei Seilschaften ab: Sechs Menschen verloren dabei ihr Leben, die Einsatzkräfte gingen in beiden Fällen davon aus, dass einer der Bergsteiger gestürzt sei und alle mitgerissen hätte.
„Der Mitreißunfall ist eine der häufigsten Todesursachen beim klassischen Bergsteigen, dort, wo die Leute gemeinsam laufen und keine Fixpunkte und keine Zwischensicherungen möglich sind“, sagt auch Klaus-Peter Popall. Der gebürtige Deutsche ist Vizepräsident beim französischen Ausrüstungshersteller Petzl und ein Gast des diesjährigen Alpinforums im Rahmen der Alpinmesse. Als ausgebildeter Bergführer, der weltweit mit Gästen unterwegs war, weiß Popall auch, dass es sich dabei um ein „Tabuthema“ handelt.
Alpinmesse und Alpinforum
Alpinmesse/Alpinforum: Am 29. und 30. Oktober finden im Innsbrucker Congress die Alpinmesse bzw. das Alpinforum statt. Öffnungszeiten der Alpinmesse: Samstag 9 bis 19 Uhr; Sonntag 9 bis 18 Uhr. Damit einher geht ein umfangreiches Rahmenprogramm. Das Alpinforum widmet sich dem Thema „berg.mensch.seil“ und findet am Samstag in der Zeit von 13 bis 18 Uhr statt – ein Referent ist der Vizepräsident des Ausrüstungsherstellers Petzl Peter Popall. Nähere Informationen unter www.alpinmesse.info
Vorträge: Am Samstag, 29. Oktober, wird der US-Amerikaner Steve House über seine Abenteuer in der Rupalwand am Nanga Parbat erzählen (19 Uhr). Die deutsche Alpinistin Ines Papert ist am Sonntag um 18 Uhr zu hören. Sie entführt in die ausgesetzten Steilwände dieser Erde. Bereits am Freitag, 28. Oktober, kommen Freeride-Begeisterte bei der Freeride Filmbase auf ihre Kosten (Metropol-Kino/Innsbruck, ab 20 Uhr).
Club-TT-Leser: Beim Kauf einer Eintrittskarte für die Alpinmesse erhalten TT-Club-Mitglieder einmalig eine zweite Karte kostenlos. Für die Vorträge von Steve House und Ines Papert gibt es 20 Prozent Ermäßigung. Tickets erhältlich bei www.alpinmesse.info, Kaufhaus Tyrol, Gigasport Innsbruck und Schöffel-Lowa-Store Innsbruck. Pro TT-Club-Mitglied können maximal zwei Karten ermäßigt gekauft werden.
„In einer französischen Zeitung hat es nach einigen solchen Unfällen einmal geheißen, dass der Berg diese Woche schon zehnmal getötet hätte. Aber der Berg tötet uns nicht, wir selbst töten uns durch unsere eigene Dummheit“, sagt der Physiker.
Fakt ist allerdings: Je steiler, härter und glatter eine Oberfläche, desto schwieriger wird es, den Seilpartner zu halten. „Als Bergführer habe ich mir in solchen Situationen oft gedacht, mit einem Bein bin ich im Gefängnis, mit dem anderen im Grab – je nachdem, ob ich meinen Gast vom kurzen Seil nehme und er fällt, oder ihn nicht vom Seil nehme, aber mit ihm abstürze.“
Wenig unterschieden werde in dieser Problematik auch zwischen dem Amateur und dem Profi, der eine andere Verantwortung habe. „Ein Bergführer ist entsprechend ausgebildet und gut trainiert, hält er seinen Gast am kurzen Seil und straff, kann er möglicherweise einen Sturz vermeiden. Rutscht ein Bergsteiger aber nur 50 Zentimeter weit, entsteht so viel Energie, dass der Bergführer keine Chance hat, ihn zu halten.“
Sind Amateure unterwegs, ist Popalls Empfehlung daher eindeutig: „In einer Steilflanke sollte man sich dann ausseilen, wenn keine Fixpunkte oder Zwischensicherungen möglich sind. Denn besser ist, es stirbt nur einer als drei, wobei meist der, der gefallen ist, gar nicht unbedingt tot ist.“ Auch auf einem Schneegrat rät Popall der Freundes-Gruppe, sich auszuseilen. „Dort, wo man aber Schlingen legen kann, soll man sich anseilen.“
Allerdings, und diese Erfahrung hat Popall auch gemacht, würden viele Bergsteiger aus Komfort, Müdigkeit, Faulheit oder Zeitdruck oft falsch im Gelände unterwegs sein. „Denn die Techniken haben wir ja, sprich: Man müsste bereit sein, sich dauernd auszuseilen und anzuseilen bzw. das Seil kurz oder lang zu machen. Darauf wird aber dann aus verschiedensten Gründen verzichtet – oder weil man davon ausgeht, dass ohnehin nichts passiert.“
Eine gewisse Nachlässigkeit ortet Popall auch, was den Umgang mit der „Hardware“ betrifft. „Viele Bergsteiger und Kletterer kaufen sich die neueste Ausrüstung und glauben dann, sie sind geschützt.“
Wie man das Material richtig verwende, sei oft Nebensache, Anwendungsfehler die Folge. Mit ein Grund, warum die Firma Petzl z. B. versucht, attraktive Gebrauchsanweisungen zu machen. „Mit vielen Bildern und einfachen Erklärungen auch im Internet“, wie Popall sagt.