Nahrungsmittelhilfen erreichen verwüsteten Süden Haitis
Die ersten Lieferungen reichten aber nicht aus, um alle Bedürftigen zu versorgen. Tausende standen für die Lebensmittel an.
Port-au-Prince – In dem vom Hurrikan „Matthew“ stark verwüsteten Südwesten Haitis sind am Mittwoch erste größere Lieferungen von Lebensmitteln für die notleidende Bevölkerung eingetroffen. Zwei Lastwagen des Welternährungsprogramms (WFP) und anderer Hilfsorganisationen trafen in den besonders betroffenen Städten Port-Salut und Roche-à-Bateau ein, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Die Ladung reichte allerdings nicht aus, um die Tausenden Bedürftigen zu versorgen. Viele Bewohner hatten seit dem Durchzug des Wirbelsturms am 4. Oktober kaum etwas zu sich genommen. „Ich habe seit fünf Tagen nur Kokosnüsse gegessen“, sagte der 25-jährige Djymi Forestal, der wie viele andere Menschen in glühender Hitze in Port-Salut ungeduldig auf die Entladung der Hilfsgüter wartete. Ordensschwestern, die die Verteilung der Lebensmittel überwachten, sagten, sie hätten mit mehr Lastwagen gerechnet.
Hunger könnte in Gewalt umschlagen
„Wir haben nicht genug für alle“, sagte die Nonne Marie-Nadia Noël in Port-Salut. Sie äußerte die Sorge, dass der Hunger in Gewalt umschlagen könnte. Die Lieferung enthielt Reissäcke mit einer Menge, die normalerweise eine vierköpfige Familie einen Monat lang ernähren soll. Diese Menge wurde nun auf kleinere Beutel aufgeteilt, die lediglich für drei Tage reichen dürfte. Das WFP hatte zuvor bereits Bewohner anderer Gegenden in Haiti mit Lebensmitteln versorgt.
Die US-Hilfsagentur USAID flog 480 Tonnen Hilfsgüter in die Region, aus Frankreich trafen zwei Transportflugzeuge mit Rettungskräften und Material in Haiti ein. Aufgrund der starken Beschädigung der Infrastruktur gelangen Lebensmittel, Wasser und Hygieneartikel allerdings nur langsam zu den Menschen.
„Es gibt hier Dörfer, die lassen sich nur per Helikopter oder Boot erreichen“, sagte Alexander Mauz vom Arbeiter-Samariter-Bund am Mittwoch nach einem Besuch im Süden. „Die Menschen sind verzweifelt. Sie haben ihre Häuser und ihre Ernte verloren. Auch eine Woche nach dem Sturm ist bei ihnen noch keine Hilfe angekommen.“
Cholera breitet sich aus
Den Rettungskräften bereitete vor allem die Cholera-Gefahr Sorgen. „Allein im Department Grand‘Anse gibt es bereits 279 Fälle“, sagte Care-Mitarbeiterin Frew. „Mindestens zehn Menschen sind schon gestorben.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schickte eine Million Impfdosen gegen Cholera in das Katastrophengebiet. Allerdings müssten noch weitere Schritte gegen die Ausbreitung der Seuche unternommen werden, teilte die WHO mit. „Das Wichtigste ist, die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und die Abwasserentsorgung zu verbessern“, sagte WHO-Cholera-Experte Dominique Legros.
„Das Wasser ist hochgradig kontaminiert, weil Latrinen zerstört und sogar ganze Friedhöfe überschwemmt wurden. Es besteht die Gefahr, dass Seuchen wie die Cholera ausbrechen“, sagte der Leiter von Caritas International, Oliver Müller. Die Durchfallerkrankung Cholera wird vor allem durch verschmutztes Trinkwasser ausgelöst.
„Matthew“ hatte am Dienstag vergangener Woche vor allem die südliche Hälfte des bitterarmen Karibikstaates schwer verwüstet und nach Angaben des Zivilschutzes 473 Menschen das Leben gekostet. In verschiedenen Medien war von deutlich höheren Opferzahlen die Rede. Rettungskräfte vor Ort sagten, die Zahl der Todesopfer werde voraussichtlich noch steigen.
Versicherer vor Milliardenkosten
Den Versicherern stehen nach „Matthew“ Milliardenkosten bevor. Die versicherten Schäden in den USA und der Karibik beliefen sich auf 2,8 bis 8,8 Milliarden Dollar (2,54 Mrd. bis 7,99 Mrd. Euro), schätzte der Fachdienst AIR Worldwide am Donnerstag.
Unterdessen steuerte der schwere Hurrikan „Nicole“ auf Bermuda zu. Das Zentrum des Wirbelsturm der Kategorie 4 lag am späten Mittwochabend (Ortszeit) rund 290 Kilometer südsüdwestlich von Bermuda. Mit Windgeschwindigkeiten von 215 Kilometern pro Stunde sollte der Hurrikan das britische Überseegebiet im Laufe des Donnerstags treffen oder streifen, wie das US-Hurrikan-Zentrum mitteilte.
Auf den Inseln bereiteten sich Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte auf die Ankunft des Sturms vor. „‘Nicole‘ ist eine ernsthafte Bedrohung für Bermuda“, sagte Sicherheitsminister Jeff Baron der Zeitung „Royal Gazette“. „Es ist sehr wichtig, dass die Bewohner ihre Häuser sichern und sich vorbereiten.“
Geschäfte, Büros und Schulen sollten bis mindestens Freitag geschlossen bleiben. Airlines sagten ihre Flüge nach Bermuda ab, der Bus- und Fährverkehr wurde eingestellt. „Niedrig liegende Gebiete könnten überschwemmt werden“, sagte die Direktorin des Wetterdienstes, Kimberly Zuill. (APA)