Freihandelsabkommen

Verfassungsgericht: Deutsche Regierung darf CETA zustimmen

Die Richter des deutschen Verfassungsgerichts (Archivfoto).
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Deutschlands Bundesverfassungsgericht lehnte am Donnerstag Eilanträge der Linken und mehrerer Bürgerinitiativen auf einen Stopp der Zustimmung unter Auflagen ab.

Karlsruhe/Berlin - Die deutsche Bundesregierung kann das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada vorläufig mit auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wies am Donnerstag mehrere Eilanträge gegen eine Zustimmung Deutschlands ab, formulierte aber Bedingungen.

Damit kann das vor allem auch in Österreich und hier in der SPÖ umstrittene CETA-Abkommen aus deutscher Sicht wie geplant am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Deutschland muss aber dafür sorgen, dass dabei bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Nur dann hat die Bundesregierung in Berlin grünes Licht aus Karlsruhe.

Verfassungsbeschwerden werden erst später behandelt

Das Urteil sagt noch nichts aus über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden. Über diese will das Gericht zu einem späteren Zeitpunkt im Detail verhandeln.

Ein Stopp von CETA ist also immer noch möglich. Im Eilverfahren hatten die Richter nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen.

Auflagen für Lenkungsgremium gefordert

Mit Blick auf das mächtige CETA-Lenkungsgremium, den sogenannten Gemischten Ausschuss, fordern die Richter eine verbindliche Zusicherung, dass dessen Beschlüsse bis zu ihrer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nur mit einer „demokratischen Rückbindung“ gefasst werden dürfen. Hintergrund: Der Ausschuss hat die Befugnis, das Abkommen teils zu ändern oder verbindlich zu interpretieren. In dem Gremium sitzen jedoch keine gewählten Parlamentarier, sondern Vertreter der EU und Kanadas.

Eine weitere Maßgabe verlangt, dass vorerst nur die Teile von CETA anwendbar sind, die in die EU-Zuständigkeit fallen. Alle diese Vorgaben müsse die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich erklären, heißt es in dem Urteil. Dagegen dürfen die Teile, die in die Zuständigkeit der Nationalstaaten fallen, nicht angewandt werden. Dazu zählen etwa Fragen des geistigen Eigentums, des Seeverkehrs und der Streitbeilegung.

Die Richter betonen, dass es sich um eine „reine Folgenabwägung“ auf die Eilklagen der Beschwerdeführer handelt. Wenn Vorgaben eingehalten werden, entstünden für die Beschwerdeführer „keine schweren Nachteile“ bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Erst in diesem Verfahren wird das Gericht die Vereinbarkeit des Abkommens mit dem Grundgesetz prüfen.

Kern nennt Entscheidung als Grundlage für Österreich

Die mündliche Verhandlung zu den Eilanträgen war am Mittwoch abgehalten worden. Weil es den Klägern zunächst darum ging, eine Zustimmung Deutschlands zu CETA im EU-Handelsministerrat am kommenden Dienstag zu verhindern, erlegten sich die Richter mit Verweis auf die Eilbedürftigkeit eine ungewöhnlich kurze Entscheidungsfrist auf.

Am morgigen Freitag will Bundeskanzler Christian Kern das SPÖ-Präsidium mit CETA befassen. Gibt das Gremium grünes Licht für die Unterzeichnung könnte die österreichische Bundesregierung eine Unterzeichnungsvollmacht auf den Weg bringen. Heute signalisierte er im Vorfeld der Entscheidung der Karlsruher Höchstrichter: „Wenn das Gericht in Karlsruhe Ja sagen würde, dann wäre das mit Sicherheit eine wichtige Entscheidungsgrundlage.“ (APA/dpa/AFP)

Diese Länder haben Vorbehalte zum Freihandelspakt

Das Freihandelsabkommen CETA ist nicht nur in Österreich umstritten. Hierzulande wird es morgen beim SPÖ-Präsidium dahingehend spannend, ob das Gremium Grünes Licht für den geplanten Pakt zwischen der EU und Kanada gibt und die Bundesregierung somit zustimmen könnte. ÖVP und NEOS sind dafür, FPÖ, Grüne und Team Stronach gegen das Abkommen wie es derzeit kommen soll.

Hier eine Auflistung jener Länder, in denen es auch noch Vorbehalte gegen CETA gibt:

Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag zwar sein Okay für die vorläufige Anwendung gegeben. Auch die Regierungsparteien CDU und SPD - die Sozialdemokraten dank des sogenannten neuen Beipacktextes - sind für das Abkommen. Das Urteil der Höchstrichter sagt aber noch nichts aus über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden aus. Über diese will das Gericht zu einem späteren Zeitpunkt im Detail verhandeln. Ein Stopp von CETA ist also immer noch möglich. Im Eilverfahren hatten die Richter nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen.

Nun will die deutsche Regierung bei den nächsten Treffen auf EU-Ebene auf die Auflagen des Verfassungsgerichts des Landes zu CETA hinweisen. Man werde „mit entsprechenden Vorschlägen in die Räte gehen“, hieß es nach dem Spruch des Verfassungsgerichts aus der Regierung in Berlin. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hält die Auflagen aus Karlsruhe für unproblematisch.

Belgien

Das wallonische Regionalparlament könnte CETA kippen. Die Abgeordneten würden wahrscheinlich gegen die Vereinbarungen stimmen, sagte der Präsident des Regionalparlamentes, Andre Antoine, dieser Tage laut einem Agenturbericht. Angeblich geht es der wirtschaftlich kränkelnden Wallonie darum, Gegenleistungen aus Brüssel für die Zustimmung auszuhandeln.

Slowenien

Die Innerstaatliche Konsultation ist noch nicht abgeschlossen. Laut EU-Kreisen hat sich Ljubljana noch Bedenkzeit erbeten. Dem Vernehmen nach geht es unter anderem um die Sicherheit des Wassers vor Privatisierungen. Die oppositionelle Vereinigte Linke (ZL) will ein Referendum abhalten, wofür sie 40.000 Unterschriften sammeln muss.

Rumänien und Bulgarien

Die Bürger der beiden südosteuropäischen Länder unterliegen gegenüber Kanada einer Visumpflicht. Diese würden die Regierungen der beiden EU-Staaten gerne ausgeräumt wissen.

Niederlande

Laut Angaben aus Ratskreisen macht Den Haag einen rein formalen Vorbehalt geltend, weil sich das Parlament noch mit CETA befassen muss.

Ungarn

Budapest hat unter Vorbehalt der vorläufigen Anwendung des Handelspakts zugestimmt. Bedingung ist, dass die Vertragselemente, die die EU-Mitglieder direkt betreffen vorerst eben nicht rechtskräftig werden. Das Thema CETA spielt im Nachbarland aber im Vergleich zu Österreich praktisch keine Rolle.