CETA: Die Auflagen für die deutsche Regierung
Die Verfassungshüter in Karlsruhe machen klare Vorgaben zu europäisch-kanadischem Handelsabkommen CETA.
Karlsruhe – Knapp 200.000 Bürger haben vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht geklagt, um das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA in letzter Minute doch noch zu stoppen. Ihr Eilanträge sind nun in Karlsruhe zwar formal gescheitert, das Gericht machte aber in seinem am Donnerstag verkündeten Urteil der deutschen Regierung in mehreren Punkten klare Vorgaben, die die Sorgen der Bürger aufnehmen.
Was ist das Besondere an CETA?
Das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA) ist ein Freihandelsabkommen neuer Qualität. Es soll nicht nur Handels- und Investitionshemmnisse abbauen, sondern der Bundesregierung zufolge vor allem auch Regeln für den internationalen Handel festschreiben und dabei europäische Standards etwa zum Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz wahren. Die Gegner befürchten aber, dass diese Standards zugunsten des Profits von internationalen Großkonzernen abgebaut werden könnten und verweisen dazu etwa auf die Macht des CETA-Lenkungsgremiums.
Welche Maßgaben muss die deutsche Regierung nun erfüllen?
Das Gericht machte in seiner Ja-Aber-Entscheidung drei Vorgaben: zu der demokratischen Anbindung des Abkommens, zum Ausstieg aus CETA und zur Anwendbarkeit verschiedener Vertragsteile. Die Maßgaben sind laut dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) alle „relativ problemlos zu erfüllen“.
Welches ist die wichtigste Vorgabe?
Das Gericht fordert - wie zuvor die Kläger - eine demokratische Rückbindung für Entscheidungen des CETA-Lenkungsgremiums, dem sogenannten Gemischten Ausschuss. Dieser Ausschuss hat die Macht, das Abkommen weiterzuentwickeln oder für die Vertragspartner verbindlich zu interpretieren. Allerdings sitzen in dem Ausschuss keine Parlamentarier, sondern lediglich Vertreter der EU und Kanadas.
Die Verfassungshüter fordern deshalb die Berliner Regierung auf, durch eine weitere Vereinbarung sicherzustellen, dass Ausschussbeschlüsse nur in Kraft treten dürfen, wenn sie der Europäische Rat zuvor „einstimmig angenommen“ hat. Weil im Rat auch die Bundesregierung vertreten ist, wären die Entscheidungen des CETA-Ausschusses über ein mögliches Veto Deutschlands demokratisch eingebunden.
Warum fordert Karlsruhe die Option eines Ausstiegs aus CETA?
Die Bundesrepublik muss gegenüber den Vertragspartnern schriftlich erklären, dass sie aus dem Abkommen aussteigen wird, falls sie ein späteres Urteil aus Karlsruhe dazu zwingt. Damit wird verhindert, das völkerrechtliche Weichen gestellt werden, die Karlsruhe später nicht mehr korrigieren kann.
Wieso soll CETA vorerst nur Bereiche regeln, die allein in der Zuständigkeit der EU liegen?
Mit dieser Forderung schützt Karlsruhe Bereiche, für die die Bundesrepublik allein zuständig ist, vor einem Zugriff der EU. Dazu zählen etwa Regelungen zum Investitionsschutz, zum internationalen Seeverkehr oder zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen.
Ist der Streit um CETA mit dem Urteil vom Tisch?
Nein. Das Gericht hat auf die Eilklagen hin nur erklärt, unter welchen Voraussetzungen sich Deutschland vorerst an der weiteren Umsetzung des Abkommens beteiligen darf. Erst in einer späteren Hauptverhandlung soll geklärt werden, ob CETA mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Wie geht es nun weiter?
Am 18. Oktober sollen alle EU-Mitgliedstaaten den Text auf einem Ministertreffen annehmen. Die vorläufige Anwendung von CETA soll dann am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel mit der offiziellen Unterzeichnung des Vertrags eingeleitet werden - vorläufig, weil für die endgültige Ratifizierung alle nationalen Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Dies kann Jahre dauern.
Für die jeweilige Zustimmung der EU-Staaten gibt es keine zeitliche Frist. Macht nur ein Staat nicht mit, kann CETA nicht endgültig in Kraft treten. Als Wackelkandidaten gelten bisher Rumänien und Belgien.
Anfang 2017 stimmt das EU-Parlament über CETA ab. Falls es grünes Licht gibt, werden - wie bei anderen Abkommen auch - erst einmal jene Teile vorläufig angewandt, für die ausschließlich die EU zuständig ist. (APA, AFP)