BP-Wahl 2016

Pressestimmen im In- und Ausland: „FPÖ wurden Grenzen aufgezeigt“

Alexander Van der Bellen während eines Pressestatements für internationale Medien am Wahlabend.
© Reuters

Österreichische und internationale Medien über den Wahlsieg Alexander Van der Bellens bei der Präsidentschaftswahl 2016.

Österreichische Pressestimmen

Alexandra Föderl-Schmid im „Standard“: „Dass mit Alexander Van der Bellen erstmals ein Grüner - auch wenn er das im Wahlkampf zu verstecken versuchte - Staatsoberhaupt eines westeuropäischen Landes wird, hat Signalwirkung über Österreich hinaus. (...) Mit Van der Bellen ist auch die Verankerung Österreichs in der EU nicht infrage gestellt und die drohende Gefahr einer Abschottung abgewendet.“

Rainer Nowak in der „Presse“: „Van der Bellen wird kein schlechter Bundespräsident werden, er wird in die Fußstapfen Heinz Fischers steigen, vermutlich weniger reisen und sich ausgiebiger mit hiesigen Denkerzirkeln beschäftigen als sein Vorgänger. Van der Bellens Schlafwagen statt Hofers Geisterbahn eben. (...) Vor allem aber haben die vergangenen Monate und das Ergebnis deutlich gezeigt, was für ein Potenzial die FPÖ als Protestbewegung gegen das bestehende System haben kann.“

Helmut Brandstätter im „Kurier“: „Und schließlich ist interessant, dass sich Österreich von dem Populismus-Trend vieler anderer Länder abgekoppelt hat. (...) Der Populismus ist damit noch nicht vorbei, aber er wird entzaubert. Das soll aber keine Hoffnung für unsere Regierung sein. Sollte sie weiter streiten und dann bald wählen lassen, wird die FPÖ natürlich einen riesigen Erfolg feiern, vielleicht mit dem Wahlkampf-erprobten Norbert Hofer an der Spitze.“

Manfred Perterer in den „Salzburger Nachrichten“: „Die Wähler ziehen einen sanften Reformweg dem Marsch ins Ungewisse vor. (...) Norbert Hofer muss sich nicht grämen. Er hat zwar den Kampf um die Hofburg verloren, die Chancen auf die Übernahme der Führung in der FPÖ aber dramatisch erhöht.“

Klaus Herrmann in der „Kronen Zeitung“: „Österreich geht auf Nummer sicher. Genau das ist die Erkenntnis der zweiten Stichwahl: Die Österreicher sind zwar mit vielem unzufrieden. Aber sie wollen mehrheitlich keinen FPÖ-Mann an der Staatsspitze. Die Weiterinterpretation ist zulässig: auch nicht an der Regierungsspitze. Die Blauen sollen umrühren und den anderen Beine machen - aber in der erste Reihe will sie eine Mehrheit nicht.“

Werner Schima in „Österreich“: „Die Österreicher haben an diesem Sonntag gegen eine Dritte Republik gestimmt und den berechenbaren Kandidaten zum Bundespräsidenten gewählt. Die Angst vor einer blauen Republik hat über die Wut gegen das System gesiegt ... Europa wird‘s mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.“

Internationale Pressestimmen und Schlagzeilen

„Frankfurter Allgemeine“: „Van der Bellens Sieg scheint die neue Dominotheorie zu widerlegen, nach der ein westliches Land nach dem anderen in die Hände von Rechtspopulisten fällt. ... Aber ganz so einfach war das sowieso nie. ... In Großbritannien gab es noch nie große Mehrheiten für die EU-Mitgliedschaft .... In Amerika war Clinton eine sehr zwiespältige und von Skandalen belastete Kandidatin .... Und in Österreich ist die FPÖ keine neue politische Bewegung, sondern eine etablierte Partei, die schon an mehreren Regierungen beteiligt war. Die Niederlage ihres Kandidaten bedeutet sicher nicht, dass die FPÖ und ihre Themen in absehbarer Zeit verschwinden werden.“

„Neue Zürcher Zeitung“: „Das Wahlresultat zeigte den Freiheitlichen, die einer Mehrheitsfähigkeit so nahe kamen wie nie zuvor, ihre Grenzen auf. Das ist auch für Europa ein gutes Zeichen, wo der Aufstieg der Rechtspopulisten in den letzten Monaten geradezu als Naturgesetz erschien. Wer nun allerdings versucht ist, zu jubeln und sich zurückzulehnen, sollte dennoch kurz innehalten. Die Spannungen in der großen Koalition sind akuter denn je, der politische Stillstand verschärft sich, ein Sieg der FPÖ bei vorgezogenen Neuwahlen bleibt wahrscheinlich. Van der Bellens Sieg erlaubt der FPÖ sogar, sich noch stärker als die unbeteiligte Außenseiterin und Anwältin des kleinen Mannes in Szene zu setzen. Guttun wird der bedächtige Van der Bellen dem Land dennoch, sitzt doch nun ein auf Ausgleich bedachter Präsident in der Hofburg. Das ist nicht wenig in Zeiten der institutionalisierten, medial befeuerten Atemlosigkeit.“

„Kölner Stadt-Anzeiger“: „Der Siegeszug rechtspopulistischer Kandidaten und Parteien folgt keinem unabänderlichen Automatismus. An den Erfolg Alexander van der Bellens knüpft sich nun auch die Hoffnung, dass die europäischen Demokratien sich nicht zwangsläufig einer von aggressiven Stimmungen getriebenen Verachtung von Politik und deren Institutionen ergeben müssen. Österreich aber wird nicht einfach zur politischen Normalität zurückkehren können. Es gibt sie schlicht nicht mehr. Nicht erst in diesem Präsidentschaftswahlkampf hat das Land seine politische Mitte verloren. Auf Van der Bellen kommt nun die schwierige Aufgabe zu, der politischen Kultur seines Landes wieder zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.“

„Tagesspiegel“ (Berlin): „Alexander van der Bellen hat gezeigt, dass Parolen nicht das letzte Wort sein müssen. Der Grüne hat sich behauptet gegen die, die vereinfachen. Und gegen die, die sagen, dass die Menschen, unpolitisch, wie sie geworden seien, anders nicht zu erreichen wären. Doch, sind sie. Gerade die Vervielfältigung der Medien kann auch eine Chance sein; es wird ja nicht bloß das Gerücht transportiert, sondern auch das Argument.“

„New York Times“: „Die Österreicher haben am Sonntag mit ihrer Ablehnung eines rechten Kandidaten für das Präsidentenamt auf einem Kontinent, wo extremistische Politik traditionell zur Katastrophe führt, die Grenzen des Rückenwinds des designierten Präsidenten Donald J. Trump gezeigt.“

„La Repubblica“ (Rom): „Österreich hat den Trump-Effekt zu spüren bekommen. Er hat die Österreicher überzeugt, gegen die populistische Epidemie zu stimmen, die breite Teile der europäischen Wählerschaft angesteckt hat. Der doppelte Schock der US-Wahlen und des Brexits hat viele Österreicher bewogen, im Zeichen der Kontinuität zu wählen.“

„Le Figaro“ (Paris): „Auch wenn sein Amt symbolisch ist, der neue Präsident wird die Aufgabe haben, die Risse, die sich innerhalb der traditionellen politischen Parteien aufgetan haben, wieder zu schließen.“

„Les Echos“ (Paris): „Die österreichischen Wähler haben die Vorhersagen Lügen gestraft, die prophezeiten, dass sich nach der radikalen Wahl der Briten für einen Brexit und der Wahl von Donald Trump in den USA die populistische Welle in Europa fortsetzen würde.“

„The Guardian“: „Der Seufzer der Erleichterung nach dem Sieg Alexander Van der Bellens in der Wahlwiederholung der österreichischen Präsidentenwahlen war in ganz Europa zu hören.“

„El País“ (Madrid): „Der Sieg des progressiven Alexander Van der Bellen über den Kandidaten der extremen Rechten, Norbert Hofer, (...) lädt zum Aufatmen ein, aber er ist auch ein ernsthafter Weckruf für ganz Europa, das nun einige wichtige Lehren aus der Wahl ziehen sollte....In diesem Schicksalsjahr, in dem der Sieg der Demagogie des Brexit auf dem ganzen Kontinent extremistischen und ausländerfeindlichen Reden Flügel verliehen hat, ist die Entscheidung der Österreicher, Van der Bellen zu wählen - vor allem aber, Hofer nicht zu wählen - eine exzellente Nachricht für Europa und für alles, wofür es steht.“

„Dnevnik (Slowenien): „Die ersten Wahlen nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA endeten mit einem überraschend klaren Sieg der Mitte-(Links)-Politik, die von Alexander Van der Bellen verkörpert wird. (...) Entgegen der ziemlich verbreiteten Erwartungen bzw. Befürchtungen sind die österreichischen Wähler nicht der Mode gefolgt. Im Gegenteil, es scheint, dass sie durch Brexit und den Trump-Sieg überzeugt worden sind, dass das Unmögliche zu jeder Zeit und an jedem Ort passieren kann, weshalb man wählen muss. (...) Die Wahl von Van der Bellen wird nur vorübergehend eine Erleichterung bringen, wenn nicht alle Zentrumsparteien, auch die oppositionellen Grünen und Neos, das nicht nützen können werden.“

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