Musik

Euphorie am Dorfplatz

© Apollonia Bitzan

„Euphoria“ nennen die Donauwellenreiter ihr drittes Album nicht von ungefähr. Pianist Thomas Castañeda im Gespräch über Ekstase und Auftritte im Bademantel.

Von Silvana Resch

Innsbruck –Mit seiner Wiener Minimalfolkchamberjazzcombo Donauwellenreiter ist Thomas Castañeda international unterwegs, von Kanada bis in den Iran. In seiner Heimatgemeinde Grins setzt sich der Tiroler mit mexikanischen Wurzeln aber nach wie vor gerne an die Orgel. So ist er gelegentlich bei Begräbnissen oder Hochzeiten zu hören, manchmal improvisiert er auch. Oder er setzt sich – ganz dem performativen Gedanken verpflichtet – im Bademantel ans Klavier. Nicht in der Kirche, sondern mitten im Dorf, nahe der alten Römerbrücke. Vergangenen Sommer hat Castañeda das eine ganze Woche lang gemacht, von früh bis spät. Improvisation bis zur Ekstase? „Ich bin nicht esoterisch, aber ich finde die Frage, was das lange Spielen bewirkt, interessant.“ Die Publikumsreaktionen in Grins seien jedenfalls „sehr lustig“ ausgefallen, „von Totalignoranz bis hin zu Leuten, die am Abend mit einer Flasche Wein vorbeigekommen sind“.

Nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch in der Abgeschiedenheit eines steirischen Schlosses, wo er sich vergangenen Sommer einquartierte, hat Castañeda eine Woche lang ähnliche Überlegungen angestellt. In Form der fast schon rockigen Instrumentalnummer „Ecstasy in Stubenberg“ kann das Ergebnis dieses Projektes nun nachgehört werden. „Irgendwann am dritten Tag improvisieren bin ich auf das figurative Motiv dieses Liedes gekommen“, erzählt Castañeda im TT-Gespräch.

Die Zeiten, in denen er als alleiniger Komponist den Sound von Donauwellenreiter prägte, sind mit dem nunmehr dritten Album „Euphoria“ endgültig vorbei. Jedes Ensemblemitglied hat Stücke geschrieben. Das Quartett, das mit der Südtirolerin Maria Craffonara (Vocals, Violine), Jörg Mikula (Drums) und Lukas Lauermann (Cello) komplett ist, verfolgt das Ziel, eine eigene musikalische Sprache zu entwickeln, seit Anbeginn. „Die folkloristischen Elemente oder diese musikalischen Vorprägungen, die wir alle mitgebracht haben, werden, je mehr wir als Ensemble zusammenwachsen, weniger“, sagt der Tiroler, der mit „Euphoria“ auch das titelgebende Stück des Albums komponierte. „Ich glaube, das ist das ausgefallenste Stück. Es hat uns gereizt, das Motiv so lange voranzutreiben, bis es wirklich zu blenden beginnt.“

Mit „Cör Endesnü“ („Nacktes Herz“), „Da Sëra“ („Am Abend“) und „Degüna Vëia“ („Keine Lust“) hat Maria Craffonara auch diesmal wieder Songs in ihrer ladinischen Muttersprache verfasst. „Sinnliche, doch abstrakte Texte“, wie Castañeda sagt.

Die komplexen, vielfältigen Songs auf „Euphoria“ bescheren dem Hörer nicht nur erhabene Momente, auch die düstere, melancholische Seite darf hier nicht fehlen. „Die Euphorie hat ihre Schattenseite, sie entsteht ja auch durch Sehnsucht“, so der Pianist, der mit den Donauwellenreitern im Februar oder März auch im Treibhaus Station machen wird. Das Album-Release-Konzert zu „Euphoria“ im Wiener Radiokulturhaus am 12. Dezember kann ab 20 Uhr auch live auf der Website von Ö1 gestreamed werden.