Die Verzweifelten in der Schlange vor dem Theater
Mit „Sing“ inszeniert der britische Kinobastler Garth Jennings eine Huldigung an die Castingshows und liefert die größte Show in der Stadt.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Nachdem Tiere in den vergangenen Jahren in den Animationsfilmen immer die Welt und damit die Menschen in ihrer grenzenlosen Dummheit vor sich selbst retten mussten, sind sie 2016 in ihrem eigenen Universum angekommen.
In George Millers „Happy Feet“ (2006) etwa eroberten die Menschen zum Zweck der Ausbeutung die Antarktis, während die Kaiserpinguine in einem verrückten Sängerkrieg verstrickt waren. Nur Mumble, der schlechteste Sänger von allen, der sich allerdings als begnadeter Tänzer entpuppt, erkennt die Gefahr der Umweltzerstörung und beginnt zu kämpfen.
Vielleicht ist es die Erkenntnis der Aussichtslosigkeit solcher Auflehnungen, vielleicht auch kommerzielles Kalkül, die zur Verbannung der Menschen aus den Toon-Towns geführt hat. Ganz ohne Menschen hatte zwar auch die Stadtverwaltung im animierten „Zootopia“ Probleme mit Kriminalität und zivilisatorischen Fehlplanungen, insgesamt wurde die Existenz der Fabeltiere jedoch vom Verlangen nach einer endlosen Party geprägt. Im neuen Animationsfilm „Sing“ aus den Illumination-Entertainment-Studios heißt die Devise „The Show Must Go On“ und in einer der köstlichsten Szenen ist, wenn schon nicht Mumble, dann doch ein in die Jahre gekommener Kaiserpinguin dabei. Mit der abgeklärten Würde Erich von Stroheims aus Billy Wilders „Sunset Boulevard“ chauffiert er den Altstar Nana Noodleman im Rolls-Royce durch die Stadt.
Das singende Schaf Nana war vor Jahrzehnten der Auslöser für Buster Moons (Originalstimme: Matthew McConaughey, deutsch synchronisiert von Daniel Hartwich) Theaterleidenschaft. Als Impresario hat der Koala jedoch wie ein Magnet die Bühnenflops angezogen. Längst kann er die Kredite nicht mehr bedienen und wie in der Menschenwelt greift er zum letzten Strohhalm der Unterhaltungsbranche. Moon schreibt eine Castingshow aus. Weil seiner Sekretärin ein Auge auf die Tastatur kullert, wird statt seines schmalen Sparstrumpfs eine astronomische Siegprämie ausgelobt. Deshalb steht anderntags eine Schlange aus ebenso Verzweifelten wie Talenten vor Moons Theater.
„Sing“ ist natürlich eine Persiflage und zugleich eine Feierstunde für alle Castingshows dieser Welt. Zugleich ist der Film aber die größte Show in der Stadt, um im Branchenjargon zu bleiben. Mit Garth Jennings wurde – eher ungewöhnlich für ein Animationsstudio – ein Regisseur engagiert, der mit einem kleinen Bastlerfilm („Der Sohn von Rambow“) bekannt wurde, und der liebevoll auch mit großem Budget auf bizarre Details und Figuren achtet. Für das Schwein Rosita entwirft er einen perfekte Haushaltsautomaten, um sie mit ihrer Katy-Perry-Stimme für den Wettbewerb von der Betreuung ihrer 25 Ferkel zu befreien. Die Rat-Pack-Maus Mike lässt er ein jazziges Rohr blasen und „My Way“ wie Frank Sinatra singen. Der Gorilla Johnny ist für den Weg eines Gangsters bestimmt, fühlt sich aber in der Nähe von Elton John wohler. Das Potpourri aus – gefühlt – einer Million Songs wird in einem atemberaubenden Tempo vorgetragen, und da Geld keine Rolle gespielt zu haben scheint, werden im Zeitraffer Dekorationen und Gebäude wie in den besten Stummfilmzeiten zerstört und wieder aufgebaut. Obwohl für Kinder eine maximale Filmlänge von 90 Minuten empfohlen wird, dauert „Sing“ 110 Minuten. Am Ende applaudieren die Kinder begeistert.