Film und TV

Die Sehnsucht nach der Normalität

© Tobis

Gaby Dellal verliert sich in „Alle Farben des Lebens“ über Transgenderprobleme in den Gesten und Bildern einer Wohlfühlkomödie.

Innsbruck –Ramona (Elle Fanning) sieht sich seit ihrem elften Lebensjahr als Gefangene in einem ihr fremden Körper. Jetzt, mit 16, soll aus Ramona endgültig Ray werden, doch Testosteron-Behandlung und anstehende Eingriffe verlangen die Zustimmung beider Elternteile.

Ray und seine Mutter Maggie (Naomi Watts) leben noch immer im Haus der Großmutter, die früher als Managerin einige Jazzgrößen betreut hat. Susan Sarandon spielt diese Dolly als ironische Variation einiger ihrer großen Kinofiguren, die sich immer warmherzig um Rockmusiker und Sportler gekümmert haben. Dolly ist lesbisch, teilt sich ein vier- oder fünfstöckiges Haus mit ihrer Lebensgefährtin Frances. Maggies Mutter ist sie in einem Moment „heterosexueller Verstellung“ geworden. Alles hat einen leichten Ton, doch Maggie ist ein Opfer dieser Leichtigkeit geworden. Wogegen lässt sich in einem hedonistischen Haushalt revoltieren, wenn die dominante Mutter die Welt mit einem Lächeln erobert?

Es geht immer noch um die Unterschrift auf diesem Einwilligungspapier für Rays Geschlechtsumwandlung, aber schon lange nicht mehr um die Transgenderprobleme. Eine Sperre hindert Maggie an der Unterschrift, weil sie sich einerseits nicht an den Gedanken gewöhnen kann, ihr kleines Mädchen zu verlieren, obwohl sie bei jeder Gelegenheit Sätze sagt wie „Ich bin so stolz auf dich!“. Andererseits kramt sie in der Hölle ihrer Erinnerungen, in der sie ihr sexuell freizügiges Leben verborgen hält. Es gibt mit Craig (Tate Donovan) einen Mann, der die Alimente bezahlt und – vielleicht – einen Mann, der Rays biologischer Vater ist.

Die britische Regisseurin Gaby Dellal, die mit „On A Clear Day“ 2005 einen schönen Film über einen Mann gedreht hat, der den Ärmelkanal durchschwimmen will, verliert sich in „Alle Farben des Lebens“ in den Gesten der Wohlfühlkomödie. Ray wünscht sich Normalität, und der Film liefert den Traum einer normalen Großfamilie. In manchen Szenen lässt Elle Fanning erahnen, was alles möglich gewesen wäre. (p. a.)