Landespolitik

Kaunertal-Kraftwerk wird nicht vor 2026 gebaut

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Nachhaltigkeitsanalyse zeigt Schwachstellen auf, aber überwiegend positive Bewertung. Ausbau wäre derzeit nicht wirtschaftlich, WWF fordert Aus.

Innsbruck –Der Streit um notwendige Wasserüberleitungen aus dem Ötzal hat den geplanten Ausbau des Kaunertal-Kraftwerks vorerst auf Eis gelegt. Mit der Gemeinde Sölden konnte bisher keine Einigung über die Wasser­entnahmen aus der Gurgler und Venter Ache für das 1,3-Milliarden-Euro-Projekt erzielt werden. Außerdem ziehen sich die Verfahren für das ebenfalls eingereichte Kleinkraftwerk in Sölden, weshalb der Landesenergieversorger Tiwag die Umweltverträglichkeitsprüfung für das Kaunertal vorerst ruhend gestellt hat. „Vor 2026 ist ein Baustart ohnehin nicht realistisch“, sagte am Mittwoch Vorstandsdirektor Johann Herdina. Vorrang haben für ihn derzeit ohnehin das Gemeinschaftskraftwerk Inn, die Erweiterung von Sellrain-Silz bzw. des Kraftwerks Kirchbichl.

Unabhängig vom Wasserstreit mit Sölden ist der Ausbau zu einem Pumpspeicherkraftwerk mit zusätzlich 913 Gigawatt pro Jahr wegen der niedrigen Strompreise derzeit nicht wirtschaftlich. Das betonte gestern auch Helen Locher, die für den Internationalen Wasserkraftverband (IHA) eine Nachhaltigkeitsbewertung der Ausbaupläne vorgenommen hat. „Aus heutiger Sicht wäre es keine gute Idee, das Projekt in Angriff zu nehmen“, sagte die Aus­tralierin. Herdina sprach von einer „wirtschaftlichen Entscheidung, die dann getroffen werden muss, wenn der Ausbau genehmigungsreif ist“. In Kraftwerke zu investieren, sei jedoch eine langfristige Entscheidung. Ob die Ausbaupläne erneut in einem Regierungsabkommen nach der Landtagswahl 2018 verankert werden, ist für den Tiwag-Direktor aber eine politische Entscheidung.

Die Nachhaltigkeitsbewertung anhand von 21 Parametern wie Planung, Projektmanagement, Kommunikation, Einbindung der Gemeinden, Wirtschaftlichkeit, Ökologie oder Restwasser bestätigen die bisherigen Schwachstellen in der Umsetzung. Herdina: „Insgesamt wird unserem Kraftwerksvorhaben aber ein gutes Zeugnis ausgestellt – wir versuchen, die Prozesse ständig zu optimieren.“ Knapp 65 Millionen Euro wurden bisher in die Planungen investiert.

Weniger positiv beurteilt der WWF die Nachhaltigkeitsbewertung. Das Kaunertal habe mit Abstand das schlechteste Ergebnis eingefahren, das jemals für ein Kraftwerk veröffentlicht worden sei, kritisiert Christoph Walder vom WWF Tirol. Gleich dreimal stehe die schlechteste Bewertungsnote im Protokoll. „Ob bei wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Region, auf die lokale Gemeinschaft oder auch beim verbleibenden Restwasser – unsere Kritik wurde bestätigt.“ Walder forderte Tiwag-Eigentümervertreter und Landeshauptmann Günther Platter (VP) deshalb auf, den Kaunertal-Ausbau endgültig zu stoppen. (pn)

Kaunertal-Ausbau und Nachhaltigkeit

Projekt Kaunertal: Die Pläne sehen den Bau einer Oberstufe im Platzertal (Gemeinde Pfunds) sowie eines Pumpspeicherkraftwerks im Kaunertal vor. Zusätzliches Wasser soll von der Gurgler und Venter Ache in den Gepatsch-Stausee abgeleitet werden. Neben dem kürzlich fertig gestellten neuen Druckschacht Kaunertal wird auch ein zusätzliches Kraftwerk in Prutz errichtet. Die Kosten werden nach derzeitigem Stand mit 1,3 Milliarden Euro beziffert.

Nachhaltigkeitsanalyse: Ein unabhängiges Gutachterteam des Internationalen Wasserkraftverbandes (IHA) hat im Auftrag der Tiwag im Herbst 2016 eine Nachhaltigkeitsprüfung für das Vorhaben „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“ durchgeführt. Für den Bericht wurden insgesamt über 80 Interviews mit Betroffenen, Experten und den Verantwortlichen der Tiwag geführt.

Bewertung. Insgesamt wurden 21 Themenbereiche analysiert. Bei acht Bereichen erhielt das Projekt laut dem Prüfbericht die beste Note, nämlich gemäß der „besten bewährten Praxis“. Zehnmal wurde die „grundlegend gute Praxis“ erreicht, wobei siebenmal ein Mangel und dreimal zwei Mängel festgehalten wurden. Bei den Themenfeldern „Wirtschaftliche Auswirkungen“, „Betroffene Gemeinden und Existenzgrundlagen“ sowie „Restwasserstrecke“ blieb man jedoch unter der „grundlegend guten Praxis“.

Einbindung der betroffenen Gemeinden: Die für die Umsetzung des Vorhabens erforderlichen Gespräche und Diskussionen wurden noch nicht zur Gänze geführt. Es wurden jedoch alle maßgeblich betroffenen Grundeigentümer informiert, Vereinbarungen liegen nur bedingt vor. Auch die Beeinträchtigungen im Zuge der Baumaßnahmen sowie jene durch den Betrieb wurden noch nicht abschließend ausdiskutiert und entsprechende Entschädigungen vereinbart. Dies wird als ein Mangel angesehen.

Restwasser: Die vorliegenden Darstellungen und Erläuterungen der Restwasserbedingungen sind nach Ansicht der Gutachter nicht allgemein verständlich.