Literatur

Hellsichtiges über das Schwarzmalen

© Helmut Wimmer/ Zsolnay

Kommenden Mittwoch wird der Wiener Kreuz- und Querdenker Franz Schuh 70. Sein neues Buch heißt „Fortuna“. Es macht glücklich.

Von Joachim Leitner

Innsbruck –Es ist irgendwie beruhigend: Auch Franz Schuh ist vor dem Hype nicht gefeit, auch Franz Schuh – der unvergleichliche Kreuz- und Querdenker wird am kommenden Mittwoch 70 Jahre alt – hat die US-Serie „Breaking Bad“ gesehen. Doch die Überlegungen, die der unaufhaltsame Aufstieg und Fall des Walter White bei Schuh anstößt, haben mit dem gängigen Feuilletonisten-Gewäsch über „Cliffhanger“ und „Easter Eggs“ nichts zu tun. Schuh nimmt eine – zugegeben: überaus eindrückliche – Episode zum Anlass, um über schwarzen Humor nachzudenken. Und da ist der Weg vom drogenkochenden Chemielehrer zum Oberavantgardisten André Breton, zu Theaterberserker Alfred Jarry und von dort zu Sigmund Freud ein kurzer. Letztlich landet Schuh mit seiner Kürzestabhandlung über die Geburt des bösen Gags aus dem Geiste von lustvoll ausgestelltem Schmerz bei den Rolling Stones – und der Erkenntnis, dass auch eine schwarzgetünchte Welt nur schwer zu ertragen wär’. Wen so viel Hellsichtigkeit übers Schwarzmalen nicht glücklich macht, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

Das Glück ist das große Thema von Franz Schuhs neuem Buch „Fortuna“. Wobei er sich mit der Definition, was Glück denn nun sei, nicht lange aufhält. Glück, könnte man mit Schuh sagen, ist alles, was sich dem Diktat des allzu Vernünftigen, des allzu Effektiven verweigert. Es erklärt sich aus dem Verhältnis, in dem Menschen und Dinge zueinander stehen. Auf eine belastbare Formel bringen, lässt sich das Glück aber nicht. Und: Glück kann gefährlich sein und äußerst unangenehme Folgen zeitigen. Auch davon erzählt dieses Buch, dessen Untertitel, „Aus dem Magazin des Glücks“, an die wunderbare Rundfunkkolumne des Autors gemahnt: von der „Schäbigkeit des Glücks“, dem „Glück als Massenartikel zwischen zwielichtiger Unterhaltungsindustrie und romantischem Pathos“, von Fett- und Trunksucht, Vergänglich- und Eitelkeiten. Manche Passagen des Buches – aus meist nur wenige Seiten umfassenden Texten komponiert – sind schonungslos unverblümt.

Gerade weil Schuh auch dann, wenn er Privates streift, die Demenzerkrankung der eigenen Mutter zum Beispiel, dem Tonfall des distanzierten Diagnostikers treu bleibt. Es mag widersprüchlich klingen, aber gerade deshalb entwickelt sich eine verblüffende poetische Kraft: Wenn er sich etwa in der „Mariahilfer Straße“ an seine weihnachtlichen „Ein-Mann-Prozessionen“ in die Vorstadt zu den Eltern erinnert, heißt es: „Unterwegs befiel mich eine Einsamkeit, mit der ich glücklich war, weil sie am Ende einer feierlichen Stim- mung doch sehr nahe kam.“

Zwischen die einzelnen Prosatexte hat Schuh immer wieder, kurze sprachspielerische Gedichte geschoben: feine Fingerübungen in Umgangssprache und Dialekt, eine Ballade über das Bahnkreuz Attnang-Puchheim oder – als Abschluss des Bandes – ein „Stillleben am Inn“. In Tirol übrigens, genauer gesagt in Alpach, debattierte Schuh einst mit einem, der „penibel damit beschäftigt (war), die Zeit, seine Zeit, Sekunde für Sekunde zu nützen, auszufüllen“. Er hingegen, erinnert sich Schuh, sei „mehr für Vergeudung“, empfinde das „Wuchern mit den Zinsen des Zeitbudgets“ als lebensfeindlich und widerwärtig. Seine Zeit „vergeudet“ Schuh damit, genau hinzusehen und kluge Texte zu schreiben.

Gestern Donnerstag teilte die Wiener Ärztekammer mit, dass Franz Schuh mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring ausgezeichnet wird. Seine Essays und Beobachtungen seien „ein wesentlicher Stachel des intellektuellen Widerstands“. Dem gibt es wenig hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass sie es zudem vermögen, ihre Leser glücklich zu machen.

Prosa/Gedichte Franz Schuh: Fortuna. Zsolnay. 256 Seiten, 22.70 Euro.