Funde aus NS-Zeit in Haiming: Tiwag setzt Historiker ein
Auf einem Grundstück von „Handl Tyrol“ in Haiming wurden Relikte aus der NS-Zeit gefunden. Energieversorger Tiwag unterstützt nun die „historische Aufarbeitung“.
Haiming – Nach den Funden aus der NS-Zeit auf dem von „Handl Tyrol“ in Haiming neu erworbenen Grundstück hat der Energieversorger Tiwag seine Bereitschaft zur Unterstützung der „historischen Aufarbeitung“ des dortigen ehemaligen NS-Zwangsarbeiterlagers bekundet. Darüber hinaus kündigte der Landesenergieversorger an, einen „unabhängigen Historiker“ zu beauftragen.
Dieser soll das Thema NS-Zwangsarbeit in der Tiroler Elektrizitätswirtschaft wissenschaftlich aufarbeiten, erklärte Tiwag-Vorstandsvorsitzender Erich Entstrasser in einer Aussendung. „Als Landesunternehmen ist es uns ein wichtiges Anliegen, mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verantwortungsvoll und sensibel umzugehen. Mit der Unterstützung einer Studie zum ehemaligen Zwangsarbeiterlager in Kirchbichl haben wir hier bereits wichtige Vorarbeit geleistet“, betonte Entstrasser. Im Zuge der Realisierung des Innkraftwerks in Kirchbichl im Tiroler Unterland von 1938 bis 1941 waren auch ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt worden.
In der Frage der „unterschiedlichen Rechtspositionen zur Rückübertragung der Grundstücke in Haiming“ begrüßte das Landesunternehmen die Initiative von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) zu einer „objektiven Prüfung durch Juristen im Amt der Tiroler Von Alexander Paschinger
Haiming – Die archäologischen Arbeiten an der Handl-Baustelle in Haiming sind abgeschlossen. Mitten im Winter, einer ungünstigen Jahreszeit für solche Prospektionen, arbeitete sich die Firma Ardis Archäologie von Karsten Wink durch das Gelände und dokumentierte Reste des Bauhofes eines riesigen NS-Projektes.
Die 1940 gegründete Westtiroler Kraftwerke AG baute dort an einer großen Ötztaler Kraftwerksgruppe, die Luftforschungsanstalt München schloss sich ab 1943 mit einem energieintensiven Windkanal an, errichtet wurde auch das Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager Haiming-Beinkorb. Die NS-Aktivitäten fanden dort zwischen 1942 und 1945 statt, das Lager wurde nach dem Krieg noch als Flüchtlingslager für Volksdeutsche genutzt.
Die Tiwag als Nachfolgefirma hatte schließlich im Vorjahr der Firma Handl rund die Hälfte ihrer 20 Hektar Grundfläche verkauft – zur Errichtung des dritten Produktionsstandortes. Wie berichtet, sehen sich deshalb die Erben von 34 damaligen Bauern, die zum Teil ihre Gründe unter NS-Druck verkaufen mussten, übergangen. Sie pochen auf eine Rückkaufoption, zumal letztlich kein Kraftwerk entstanden sei.
„Wir haben die zehn Hektar jetzt von der Tiwag, den Gemeinden Silz und Haiming sowie zwei Familien, die ihre Grundstücke auch während des Krieges behalten hatten, erworben“, betont Karl Christian Handl. Der Grundpreis lag bei 50 Euro pro Quadratmeter und die Verlegung der drei Masten der 220-KV-Leitung kostete die Firma zusätzliche 1,5 Millionen Euro.
Am Mittwoch präsentierte Karl Christian Handl gemeinsam mit Wink sowie Barbara Pöll und Johannes Pöll vom Bundesdenkmalamt die Ergebnisse der Grabungen. Entdeckt wurden die Talstation einer Materialseilbahn, Werkstätten, ein Schulgebäude samt Kellergewölbe oder auch ein unfertiges Schwimmbecken aus der Nachkriegszeit. Zutage traten auch Fundstücke, die den „Bauhof“ eindeutig bestätigen. Ein Wehrmachtshelm spricht wiederum für die Bewachung des angrenzenden Lagers.
„Wir haben den Initialschritt getan“, betont Handl das 250.000 Euro teure Engagement. Er fordert nun Land, Tiwag, Gemeinden und Bundesdenkmalamt auf, die zeitgeschichtliche Aufarbeitung für das weit gestreute Areal anzugehen. Handl will im Keller des Schulgebäudes eine „kleine Dokumentationsstätte“ einrichten.
Dazu hieß es am Mittwochnachmittag aus der Tiwag: Man unterstütze gemeinsam mit dem Land Tirol und der Firma Handl Tyrol die historische Aufarbeitung des ehemaligen NS-Zwangsarbeiterlagers. „Im Einvernehmen mit dem Eigentümervertreter nehmen wir den aktuellen Fall zum Anlass, eine wissenschaftliche Aufarbeitung zum Thema NS-Zwangsarbeit in der Tiroler Elektrizitätswirtschaft durch einen unabhängigen Historiker zu beauftragen“, so Vorstandschef Erich Entstrasser. In der „Frage der unterschiedlichen Rechtspositionen zur Rückübertragung der Grundstücke“ begrüße die Tiwag die Initiative von LHStv. Josef Geisler zu einer objektiven Prüfung durch die Landhausjuristen. Die Tiwag werde dazu „sämtliche vorliegende Unterlagen zur Verfügung stellen“.
LH Günther Platter meinte auf TT-Anfrage, dass er die Landesregierung am Dienstag mit der Frage der historischen Aufarbeitung befassen werde. „Das Land Tirol hat bereits mehrfach bewiesen, dass ihm die wissenschaftliche Aufarbeitung, insbesondere der nationalsozialistischen Vergangenheit, ein Anliegen ist“, verweist er auf den Anstaltsfriedhof der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Hall.