Suche nach Ausweg aus EU-Asylplan
Die Groteske um das Relocation-Programm der EU fand im Ministerrat ihre Fortsetzung. Die SPÖ betont, dass Österreich bei der Flüchtlingsaufnahme bereits viel geleistet hat. Die ÖVP hält sich bedeckt.
Von Cornelia Ritzer
Wien –Die Inszenierung im Ministerrat sieht vor, dass die Regierungskoordinatoren die Presse über die Beschlüsse informieren. Eine Aufgabe, die SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda und ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer wöchentlich mit Ernsthaftigkeit meistern. Statt markanter Sager gibt es von den Regierungsmitgliedern, die gut miteinander können, harte Fakten. Dieses Setting sollte der großen Koalition helfen, das Bild einer zerstrittenen Regierung, das sich im Pressefoyer von Kanzler und Vizekanzler oft zeigte, zu korrigieren.
Nur in seltenen und vor allem wichtigen Fällen weicht Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) von der im Vorjahr gewählten Inszenierung ab. So auch gestern. Denn zu groß waren sichtlich die Unstimmigkeiten in der Koalition rund um das Flüchtlingsumverteilungsprogramm der EU. Kern versuchte zu kalmieren und kündigte an, den Streit um Österreichs Rolle im Relocation-Programm für Flüchtlinge zur Chef-Sache zu machen. In seinem Statement nach dem Ministerrat kündigte er an, in einem Brief an Brüssel um Verständnis für Österreichs Position werben zu wollen. Der Inhalt: Österreich habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen „überdurchschnittlich viel geleistet“, deshalb solle die EU-Kommission nun prüfen, ob Wien die Quote „nicht ohnehin schon erfüllt hat“. Gleichzeitig betonte Kern, ein „verlässlicher Partner“ für die EU sein zu wollen und es nicht auf ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anlegen zu wollen: „Wir sind keine Agent Provocateur.“ Deshalb brauche es rechtliches „Einvernehmen mit der EU“.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) lauschte gestern dem Großteil von Kerns Statement. Ein Grinsen konnte sich der ÖVP-Chef dabei nicht verkneifen, vor allem, als SPÖ-Chef Kern auf das Verhältnis zum Koalitionspartner angesprochen wurde. „Vorsicht, wir stehen da“, schmunzelte Mitterlehner. Zum Thema Relocation betonte der Vizekanzler, dass die Debatte bei der SPÖ, und nicht bei der ÖVP geführt werde. SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hatte am Freitag die Herausnahme aus dem Relocation-Programm der EU gefordert, dagegen hatte Kern die europarechtliche Vereinbarung bislang unterstützt. Und seitens der ÖVP habe Innenminister Wolfgang Sobotka nichts anderes getan, als darauf zu verweisen, dass es entsprechende Beschlüsse gebe, die eben umzusetzen seien, so Mitterlehner. Überhaupt sieht er wenig Erfolgschancen für den Kanzler, Brüssel überzeugen zu können: „Ich glaube nicht, dass das gelingen kann.“
Kanzler Kern betonte jedenfalls das „sehr gute Gespräch“ bei der Sitzung hinter verschlossenen Türen. Das klang versöhnlich, jedoch völlig anders als so manche Minister, die – so will es ebenfalls die Inszenierung – an den Journalisten vorbei in die Ministerratssitzung gehen. ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sprach im Zusammenhang mit der Debatte um die Flüchtlingsumverteilung von einem „massiven Kasperltheater“ der SPÖ. Interessant war, dass sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zum Streit um die Relocation so gar nicht äußern wollte. Dass das Programm für die ÖVP-Nachwuchshoffnung nicht der richtige Weg ist, ist aber bekannt.