Deutschland

Deutschland beschließt umstrittene Pkw-Maut, Österreich klagt

Der Deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
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Die Pkw-Maut in Deutschland ist beschlossene Sache. Der Bundesrat gab am Freitag grünes Licht. Österreich reicht Klage ein.

Berlin – Nach jahrelangem Streit ist der Weg für die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen frei. Der Bundesrat ließ am Freitag ein vom Bundestag beschlossenes Gesetzespaket passieren, mit dem die EU-Kommission grünes Licht für die «Infrastrukturabgabe» geben will. Eine mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses fand in der Länderkammer keine Mehrheit. Damit kann Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die nächsten Schritte für die bisher gestoppte Maut-Einführung angehen.

Der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried hatte den Bundesrat in Berlin im Vorfeld der heutigen Abstimmung aufgefordert, das Projekt zu stoppen: Die Länderkammer müsse „die Reißleine ziehen und die diskriminierende Ausländermaut zu Fall bringen“.

Nachdem das nicht geschah, wird Österreich gegen die Einführung der deutschen Pkw-Maut beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgehen. „Wir werden gegen die Maut klagen“, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Freitag vor Journalisten in Wien. Die deutsche „Ausländermaut“ sei eine „Diskriminierung anhand der Staatszugehörigkeit“. Die EU-Kommission wollte keine Bewertung der österreichischen Ankündigung einer Klage gegen die Einführung der deutschen Pkw-Maut beim Europäischen Gerichtshof abgeben.

Zeitpunkt der Klage noch offen

Wann genau Österreich die Klage beim EuGH einbringen wird, ist derzeit noch offen. Die EU-Kommission müsse das Vertragsverletzungsverfahren niederlegen, dann sei die Klage möglich, so Leichtfried. Laut dem Verkehrsminister hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bereits mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Maut-Causa telefonisch besprochen. Heute, Freitag, wurde die Pkw-Maut im deutschen Bundesrat beschlossen.

Kritik übte Leichtfried auch an der Kommission. „Das Vorgehen der Europäischen Kommission ist ein Skandal“. Die EU-Kommission hatte sich mit Deutschland auf einen Kompromiss bei der Pkw-Maut geeinigt.

Maut soll ab 2019 gezahlt werden

Eigentlich war das zentrale Vorhaben der CSUin der schwarz-roten Koalition schon 2015 beschlossen worden. Da Brüssel kurz darauf ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eröffnete, wurden die Gesetze aber bisher nicht umgesetzt. Zentraler Streitpunkt war der Vorwurf einer Benachteiligung von Fahrern aus dem Ausland, da nur Inländer für Mautzahlungen vollständig über eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Dobrindt einigte sich aber im Dezember 2016 mit der EU-Kommission auf Änderungen am Modell.

Diese Nachbesserungen sind nun beschlossene Sache. Konkret sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland stärker differenziert werden. Inländer mit abgasarmen Euro-6-Autos sollen als Ausgleich für Mautzahlungen um 100Millionen Euro zusätzlich bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Am angestrebten Ertrag von jährlich 500 Millionen Euro und der Vereinbarkeit mit EU-Recht gibt es weiterhin Zweifel. Starten soll die eigentliche Maut-Erhebung erst 2019.

Der Länderkammer lagen Empfehlungen der zuständigen Ausschüsse vor, den gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag anzurufen. Dies hätte das Verfahren verzögern können. Die Bundesländer hatten noch mautfreie Autobahn-Abschnitte in Grenzregionen gefordert, die Bundesregierung lehnt dies ab. Dobrindt hat angekündigt, nach Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine europaweite Ausschreibung zu starten, mit der ein Betreiber für das Mautsystem gesucht wird.

Österreich wird klagen

Österreich wird also rechtlich beim Europäischen Gerichtshof gegen die Maut vorgehen, sollte die EU-Kommission die deutsche Pkw-Maut akzeptieren. Seit Donnerstag liegt das Gutachten des Innsbrucker Europarechtsexperten Walter Obwexer für das Verkehrsministerium vor. Obwexer geht davon aus, dass eine Klage gute Aussichten auf Erfolg hätte.

Für den Europarechtsexperten ist die Maut europarechtswidrig. Zum einen, weil die Koppelung mit Steuererleichterungen nur für die 45 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkw gilt. Gleichzeitig werden dadurch auch ausländische Verkehrsunternehmen und Beförderungsbetriebe benachteiligt, obwohl ein Verschlechterungsverbot in der EU besteht. (TT.com/dpa)

Interview: Leichtfried fordert Mindestmaut

Europarechtler Walter Obwexer rät, Deutschland wegen der geplanten Ausländer-Maut zu klagen. Werden Sie das tun?

Jörg Leichtfried

: Heute entscheidet der Bundesrat in Deutschland. In einigen Bundesländern gibt es auch Widerstand gegen die Maut. Das Ergebnis müssen wir noch abwarten und danach werden wir entscheiden.

Fürchten Sie, dass eine Klage die Beziehung zu Deutschland nachhaltig stören würde?

Leichtfried

: Die Verantwortlichen in Deutschland haben sich auch keine Gedanken gemacht, was eine Ausländer-Maut für ihre Nachbarn bedeutet.

Wozu tendieren Sie?

Leichtfried

: In Europa zählt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts. Dafür stehe ich. Wenn es zwei Rechtsmeinungen gibt, muss man das irgendwann ausfechten. Ich hätte schon die Tendenz zu klagen.

Schwierigkeiten mit Deutschland gibt es auch bei den Zulaufstrecken zum Brennertunnel. Deren Bau verzögert sich. Fürchten Sie, dass der Tunnel nicht genutzt werden wird?

Leichtfried

: Man darf nicht unterschätzen, dass in Deutschland Wahlkampf ist und einiges überzeichnet dargestellt wird. Auf Expertenebene laufen die Gespräche gut. Ich gehe davon aus, dass die Zulaufstrecken rechtzeitig fertig werden. Das ist schon gemeinsames Ziel. Auch auf italienischer Seite ist alles am Laufen. Die Kofinanzierung der EU steht auf soliden Beinen. Natürlich wird es immer wieder Debatten zu Teilbereichen geben, aber diese Herausforderungen werden wir lösen.

Ist 2035 für die Fertigstellung der Zulaufstrecken in Bayern dann realistisch?

Leichtfried

: Ja, das würde ich für realistisch halten.

Der Tunnel soll 2026 fertig sein, dann gibt es zehn Jahre ein Nadelöhr in Deutschland. Wird der Tunnel trotzdem eine Entlastung bringen?

Leichtfried

: Ja. Das wird funktionieren, weil der Bedarf an Kapazitäten nicht so rasch steigen wird. Wenn wir uns die Entwicklung anschauen, kommen wir mit den Kapazitäten zurecht.

Das Gespräch führten Anita Heubacher und Peter Nindler