Sigmar Gabriel: „Wir haben gegenüber der Türkei Fehler gemacht“

Berlin/Ankara (APA) - Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel hält es für falsch, wie Deutschland auf den Putschversuch in der Türkei vor ...

Berlin/Ankara (APA) - Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel hält es für falsch, wie Deutschland auf den Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr reagiert hat: „Wir haben Fehler gemacht“, sagte der SPD-Minister im Gespräch mit Auslandskorrespondenten in Berlin.

„Wir hätten unsere Ablehnung des Putschversuches und die Solidarität mit der türkischen Regierung und der türkischen Bevölkerung deutlicher zum Ausdruck bringen können“, sagte Gabriel im Vorfeld des in Hamburg stattfindenen G-20-Gipfels und unmittelbar vor seiner Abreise in die Golfregion.

Deutschland habe damals nur mit Erklärungen reagiert. „Aber wir hätten auch hinfahren können.“ Die Türkei hätte sich, so Gabriel, mehr emotionale Hinwendung erwartet. „Wir hätten zeigen müssen, dass wir an der Seite der demokratisch gewählten türkischen Regierung stehen und jeden Putschversuch ablehnen. Das hätten wir anders machen müssen.“ Er sage ganz offen: „Wir haben einen Fehler gemacht.“

Die Situation mit der Türkei sei nach wie vor sehr schwierig. Er wisse, dass sich die Türkei von Deutschland nicht angemessen behandelt fühle, vor allem was die Bekämpfung dessen betreffe, was die Türkei als Terrorismus empfinde.

Für Deutschland sei aber nicht jedes Mitglied der Gülen-Bewegung automatisch in Haft zu nehmen und auszuliefern, wie sich die Türkei dies erwarte. Auch für die Asylanträge türkischer Soldaten und Diplomaten gebe es in Deutschland klare Regeln, an die sich die Regierung halten müsse. In Deutschland würden Asylanträge und Auslieferungsbegehren von Behörden und unabhängigen Gerichten entschieden und nicht durch Weisung der Bundeskanzlerin oder des Außenministers. Das zu akzeptieren, falle der türkischen Seite schwer. Dort vermute man immer Verschwörungstheorien.

Umgekehrt habe Deutschland große Sorgen um die Meinungsfreiheit in der Türkei und die Inhaftierung von Journalisten. „Es gibt also große Differenzen, die nicht so einfach zu überbrücken sind“, sagte Gabriel.

Dazu gehöre auch die Rede, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rande des G-20-Gipfels vor Deutschtürken in Hamburg habe halten wollen und von deutscher Seite verboten worden sei. „Das hat nichts mit Rede- oder Meinungsfreiheit zu tun, sondern obliegt den außenpolitischen Interessen Deutschlands. Die Konflikte mit der Türkei sind derzeit so groß und so stark, dass wir davon abraten, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, indem auf öffentlichen Veranstaltungen türkische Innenpolitik nach Deutschland getragen wird.“

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Außerdem ziehe Deutschland die Konsequenz aus dem letzten Wahlkampf der Türkei, in dem es von Erdogan als „Nazi-Deutschland“ bezeichnet worden sei. „Das hat hier tiefe Verletzungen ausgelöst“, sagte Gabriel im Gespräch mit den Korrespondenten. Das Gespräch fand unmittelbar vor seiner Reise in die Golfregion statt. Gabriel ist der erste hochrangige westliche Politiker, der seit Beginn der Katar-Krise in die Region reist und in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Katar um Kompromissbereitschaft bei den Konfliktparteien werben möchte.