Ein Kleinkind is(s)t anders
Fast die Hälfte der Tiroler Eltern weiß laut einer Umfrage nicht, dass bis zu Dreijährige eine besondere Ernährung brauchen. Auch die Vorbildwirkung lasse zu wünschen übrig.
Von Andrea Wieser
Innsbruck –Wann ist Ernährung eigentlich am wichtigsten? Immer, aber besonders im Kleinkindalter, muss die richtige Antwort lauten. Glaubt man einer Umfrage von Marketagent.com, wird das aber zu wenig berücksichtigt. Auf die Frage, ob Eltern wissen, dass die richtige Ernährung in den ersten 1000 Tagen eines Menschen ganz besonders wichtig für die Entwicklung ist, antworteten rund 37 Prozent österreichweit mit „Nein“. Die Tiroler und Vorarlberger Befragten schnitten sogar noch schlechter ab: Fast die Hälfte ist sich über die Ernährungsbesonderheiten in diesem jungen Alter nicht im Klaren. Dass eine falsche Ernährung einen negativen Einfluss auf das Immunsystem haben kann, war auch den Befragten in Tirol und Vorarlberg am wenigsten klar. Wenn auch mit knapperem Abstand. So antworteten darauf österreichweit 65,55 mit „Ja, das ist mir bewusst“, im Westen waren es hingegen nur knapp 62 Prozent.
Nach der Stillphase könne man nicht ohne Weiteres zur Erwachsenenernährung übergehen, betont Petra Rust, Ernährungswissenschafterin an der Universität Wien. „Bedarfsgerechte Ernährung besteht aus einer abwechslungsreichen Auswahl an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide sowie Fisch, magerem Fleisch und Milchprodukten“, betont die Expertin. Aber nicht nur das „Was“, auch das „Wie“ spiele eine entscheidende Rolle. Kleinkinder sollten salz- und zuckerärmer essen als Erwachsene. Deswegen sei das Abschmecken vorweg von Mama oder Papa auch wenig sinnvoll, denn schmecke es den Großen, sei es eben zu stark gewürzt für die Kleinen. Rust rät hier, mit wenig Salz und Zucker zu arbeiten, hingegen vermehrt mit Kräutern als Alternative. Ein wichtiger Faktor sei auch die Menge der auf den Teller gegebenen Speisen. „Eine Portion müsste einer Handfläche entsprechen und die wächst natürlich mit.“
Aber nicht nur die besonderen Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern sind noch nicht hinlänglich bekannt. Grundsätzlich ortet Rust auch einen Mangel an Erkenntnis, wenn es um die eigenen Gewohnheiten geht. Und das beginne früh. „Wir wissen inzwischen, dass schon während der Schwangerschaft Prägungen stattfinden.“ Das heißt, schon im Mutterleib entwickelt das Baby, beeinflusst durch die Mutter, Vorlieben. Und das findet, erst mal auf der Welt, seine logische Fortsetzung in der Familie: „Kinder lernen so wie überall anders auch von ihrem gesamten Umfeld, das heißt von Eltern, Großeltern, Geschwistern und auch Pädagogen.“ Schlechte Gewohnheiten würden so rapide übernommen. „Wir haben bei Besuchen in Kindergärten feststellen müssen, dass Kinder zum Beispiel nicht mehr wissen, was grüner Paprika ist. Ich finde es traurig, dass Kinder manche Lebensmittel nicht mehr kennen.“
Dass Industrielebensmittel, die gerne stark gewürzt sind, kein guter, aber ein beliebter Begleiter sind, kennt Rust zur Genüge. Dabei sei der Weg aus so einer Falle, ob nun für Kind oder Eltern, einfacher, als man oft meine. „Das Ganze beginnt doch damit, dass man sich erst einmal eine schöne Jausenbox kauft oder eine Trinkflasche“, setzt Rust auf simple Tricks. Da mache die Zubereitung eines gesunden Snacks gleich vielmehr Spaß. Und es müsse ja nicht immer gleich hochkompliziert zugehen, nur weil es gesund sein soll.
Generell rät sie, sich von der Verdammung von bestimmten Lebensmitteln zu verabschieden. Das bringe alles nichts, auf den Mix komme es an. „Ich halte nämlich wirklich nichts davon, Lebensmittel in ,gut’ und ,böse’ einzuteilen.“ Einem alten Trick kann sie jedoch sehr viel abgewinnen: „Kinder lieben es, wenn Essen lustig zubereitet ist. Man muss sich nur einmal trauen und es einfach ausprobieren.“