„Quasi-Bilder“ mit einem Querschläger
Bevor ihm das Wiener mumok im Herbst nächsten Jahres eine große Retrospektive ausrichtet, zeigt Ernst Caramelle in Schwaz frühe und ganz aktuelle Kostproben aus seinem konzeptuellen Kunstkosmos.
Schwaz –Doppelbödiges ist man vom 1952 in Hall geborenen Ernst Caramelle gewohnt – und so ist, wenn er jetzt in Schwaz das Motiv einer Ausstellung zum Motiv seiner Ausstellung macht, rasch klar, dass es einmal mehr um die Wahrnehmung des Raums und seine Erweiterung in Denkräume geht.
Als Handreichung hat Caramelle einen schönen Satz des deutschen Autors Philipp Mosetter parat, er lautet: „Gegen die Wahrnehmung hat die Wirklichkeit keine Chance.“ Realiter jedenfalls sieht man die Wiederholung und Variation derselben geometrischen Komposition aus Form und Farbe, mit der der konzeptuelle Maler Caramelle die Illusion einer Ausstellungssituation, vielmehr noch die Illusion eines Raums im Raum erschafft: Ausgeführt sind sie zum einen direkt an der Wand (und damit der Vergänglichkeit, sprich: Übermalung preisgegeben) – und zum anderen auf ganz unterschiedlich großen bzw. klitzekleinen Papierformaten.
„Quasi-Bilder“ oder „Quasi-Malereien“ nennt Caramelle solche mit teils abgewaschener Wasserfarbe gemachte Arbeiten gern. In die vermeintlich strikte Serialität in Schwaz hat er auch einen „Querschläger“ geschmuggelt: Wenn man so will, auch das wieder ein Anschlag auf eingefahrene Wahrnehmungsmuster. Die Caramelle schon als 22-jährigen Studenten der Wiener Angewandten langweilten – weshalb er sich mittels Videomonitoren an ihnen zu schaffen machte, was ihm den Weg ans MIT in Cambridge, USA, ebnete. In seinen „Videolandschaften“ (1974– 76) sind es Monitore, die einerseits Bildteile verdecken, dieses Verdeckte andererseits als „Medienrealität“ wieder auf den Bildschirmen zeigen.
Dank der selten gezeigten Fotodokumentationen dieser frühen Videoarbeiten lässt es sich in der Schwazer Schau auch tiefer in den Kunstkosmos von Ernst Caramelle eintauchen, der zwar demnächst als Rektor der Kunstakademie Karlsruhe in den Ruhestand geht, deshalb aber sicher nicht so schnell zur Ruhe kommt – ist doch im Wiener mumok für Herbst nächsten Jahres eine große Retrospektive geplant. (jel)