Prozess in Kufstein

Tod von Mädchen (6) vermeidbar: Pistenchef schuldig gesprochen

Die Sechsjährige durchbrach den Zaun und stieß gegen die Schneekanone. Das Mädchen erlitt tödliche Kopfverletzungen.
© ZOOM.TIROL

Wegen fahrlässiger Tötung wurde gestern der Pistenchef der Hochsöller Bergbahnen verurteilt. Eine Schülerin war im Jänner gegen eine unverkleidete Schneekanone geprallt.

Von Reinhard Fellner

Kufstein, Söll – Laut dem skitechnischen Sachverständigen Klaus Kreutz hatte es bis zum heurigen Jänner einen derartigen Skiunfall noch nie gegeben. Eine sechsjährige Schülerin aus Bayern war nach fünf Fahrten aus der Fahrlinie ihrer Gruppe ausgebrochen und direkt zu Tal gerast. Noch im flachen Auslauf – gerade 70 Meter von der Kinderskischule entfernt – traf das Kind auf eine mobile Schneekanone. Ein rot-gelbes Stocknetz hatte sie zur Gefahrenkennzeichnung umrahmt. Die Funktion eines Fangzauns hatte das gesteckte Netz jedoch nicht. Und so rutschte die Sechsjährige direkt durch das Netz auf einen offen nach oben stehenden Stahlhydranten. Trotz Helms erlitt das Kind tödliche Verletzungen.

Nach Ermittlungen und Gutachtenserstellung durch Kreutz kam es gestern am Bezirksgericht Kufstein gegen den derzeit nicht im Dienst befindlichen Pistenchef und stv. Betriebsleiter der Hochsöller Bergbahnen zum Prozess wegen fahrlässiger Tötung. Der Anklagevorwurf von Alpin-Staatsanwalt Johann Frischmann: In einem derart frequentierten Gelände, wo sich Kinder und Ungeübte bewegen, müsse der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehen und sei auch so eine mobile Schneekanone jedenfalls zu verkleiden: „Entweder weg mit der Kanone, sobald sie nicht mehr gebraucht wird, oder entsprechend mit Matten absichern. So handelte es sich jedenfalls um eine Sorgfaltswidrigkeit seitens des Verantwortlichen!“

Im Gerichtssaal in Kufstein: Staatsanwalt und Privatbeteiligtenvertreter (l.) und der Angeklagte (r.).
© Fellner

Dies wies jener entschieden zurück und brachte mit Unterstützung der Verteidigung gleich mehrere Argumente für seine Unschuld am tragischen Skiunfall vor. Immerhin seit 1992 sei er schon Betriebsleiter, seit 2004 Pistenchef. Kurse und Seminare habe er stets besucht und umgesetzt. Auch bei den Überprüfungen durch das Land Tirol habe es nie eine Beanstandung gegeben: „Seit Jahrzehnten haben wir das Pistengütesiegel!“

Dazu habe er den österreichweit beachteten „Leitfaden zu Verkehrssicherungspflichten für Skiabfahrten“ genauestens beachtet und im Gebiet umgesetzt. Und demnach wären zwar fixe Anlagen wie Stützen, Masten oder stationäre Schneekanonen zu verkleiden, mobile aber nicht – außer diffizile Pistenbegebenheiten würden dies erfordern. In der Praxis wäre eine solche Verkleidung durch zehn Zentimeter dicke Anprallmatten auch kaum durchführbar, da sie durch die gesteuerten Rotationen die Matten sofort zerstören würden.

Diesen Ausführungen widersprach der Sachverständige. Zwar sehe der besagte Leitfaden keine Verkleidung mobil eingesetzter Kanonen vor. Im vorliegenden Fall sei die mobile Kanone jedoch praktisch über die Saison stationär an einem Ort benutzt worden. Obwohl als sie gar nicht mehr gebraucht wurde, sei sie noch auf der Piste belassen worden. Kreutz zitierte im Prozess die Empfehlung namhafter Hersteller: „Mobile Schneekanonen sind bei Nichtgebrauch zu entfernen oder mit Matten nach dem Stand der Technik abzusichern.“ Beispielsweise im Skigebiet Mieders bringe man an mobile Kanonen schon lange ohne Probleme solche Matten an. Richterin Karin Schiffmann sah fahrlässige Tötung. „Ein Leitfaden entschuldet nicht. Sie waren verantwortlich und kannten das Skigebiet. Da sie die danebenstehende Säule verkleidet haben, wurde die Stelle direkt an der Kinderskischule als neuralgisch erkannt!“

Dazu stellte Schiffmann klar, dass der Leitfaden hier ohnehin keine Verwendung finde: „Sie haben ein mobiles Gerät ja stationär benutzt. Eigentlich wäre es ihre Aufgabe, laut zu schreien, dass man für eine dort befindliche Kanone Matten benötige. Der Tod des Kindes hätte dadurch abgewendet werden können. Aber so war es sorgfaltswidrig, die Kanone unverkleidet in einem Bereich, wo Kinder sind, stehen zu lassen.“ Zur Hälfte bedingte 2800 Euro ergingen (ein Jahr Haft drohte). Die Eltern begehrten symbolisch 2000 Euro. Eine Berufung ist zu erwarten.

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