Schwülstige „Lady Chatterley“ in Reichenau

Reichenau (APA) - Im Rahmen des alljährlichen Themenschwerpunkts „Frauenschicksale in der Weltliteratur“ hat John Lloyd Davies seine eigene ...

Reichenau (APA) - Im Rahmen des alljährlichen Themenschwerpunkts „Frauenschicksale in der Weltliteratur“ hat John Lloyd Davies seine eigene Bühnenfassung von D. H. Lawrences 1928 veröffentlichtem Roman „Lady Chatterley‘s Lover“ bei den Festspielen Reichenau inszeniert. Was dereinst jahrzehntelang für Skandale sorgte, vermag in dieser ziemlich schwülstigen Version allerdings kaum noch jemand zu verschrecken.

Premiere war am Montagabend (die vorliegende Kritik bezieht sich auf die Hauptprobe vom vergangenen Samstag, Anm.). Zu Beginn kracht es an der Front. Sir Clifford Chatterley (Tobias Voigt verkörpert ihn mit angemessenem Mix aus Resignation, Dünkel und psychischer Verletzlichkeit) wird im Ersten Weltkrieg schwer verwundet und bleibt gelähmt. Kein leichtes Los für seine Frau Connie (Katharina Straßer verleiht ihr wachsende Lebenslust und zuletzt den Willen zum Ausbruch), die sich mit dem ganz und gar nicht standesgemäßen Wildhüter Mellors (Lukas Spisser als rustikaler Robustling ist ein Zugewinn für Reichenau) einlässt und von ihm schwanger wird. Zu Breitwand-Orchesterklängen färbt sich da der Abendhimmel kitschig rot, und wenn die Liebenden einander ihre Gefühle erklären, wähnt man sich unversehens zwischen Courths-Mahler, Pilcher und Silberwald-Groschenromantik.

Einiges wird erzählt, berichtet, erschließt sich aus diversen Briefen und aus Gesprächen dreier teils reaktionärer, teils pseudofreigeistig sinnierender Gentlemen. Quintessenz: Irgendwer ist immer schuld. Nicht wirklich ersichtlich wird die zwingende Notwendigkeit, die Geschichte auf die Bühne zu bringen. Amouröse Sinnlichkeit wird ohnehin nur andeutungsweise spürbar, einschlägige Textpassagen kommen verschämt auf Englisch aus dem Off. Aus gegebenem Anlass stellt sich überhaupt einmal mehr die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit und dem Mehrwert der so beliebten Dramatisierung von Romanen - als gäbe es kein ausreichendes Bühnenrepertoire mehr und keine fähigen zeitgenössischen Dramatiker, deren Werke aufzuführen sich lohnte.

(S E R V I C E - Festspiele Reichenau, Großer Saal: D. H. Lawrence, „Lady Chatterley“. Bühnenfassung von John Lloyd Davies in der deutschen Übersetzung von Michael Rössner und in der Spielfassung von Renate Loidolt. Regie: John Lloyd Davies. Mit Katharina Straßer, Tobias Voigt, Lukas Spisser, Michou Friesz, Johanna Arrouas, André Pohl, Sascha Oskar Weis und Christoph Zadra. Vorstellungen bis 3. August, allfällige Restkarten und Information: www.festspiele-reichenau.com)

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