1.500 Euro Mindestlohn für alle bleibt ein bewegliches Ziel
Wien (APA) - Die Einigung auf die Umsetzung eines Mindestlohns von 1.500 Euro brutto bis zum Jahr 2020 „ist ein gutes Ergebnis der Sozialpar...
Wien (APA) - Die Einigung auf die Umsetzung eines Mindestlohns von 1.500 Euro brutto bis zum Jahr 2020 „ist ein gutes Ergebnis der Sozialpartner“, sagt die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster. Dass es diesen Mindestlohn bis dahin in allen Branchen geben wird, glaubt sie aber nicht, „weil es dann Arbeitsplätze kosten würde“.
Mit der vereinbarten Evaluierungsphase für den Mindestlohn bis 2020 „werden keine Branchen überfordert“, sagte Scheichelbauer-Schuster am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Allerdings sei der Mindestlohn von 1.500 Euro in einigen Branchen - etwa Friseure, Gebäudereiniger, Floristen oder Konditoren - „ein enormer finanzieller Rucksack für die Betriebe“. Lohn- und Gehaltssteigerungen um bis zu 30 Prozent in zweieinhalb Jahren abzuwickeln sei „eine immense Herausforderung, die an der finanziellen Stabilität der Branchen nagt“.
Gerade für viele Kleinstbetriebe sei der geplante Mindestlohn existenzbedrohend, warnt der Direktor der KMU Forschung Austria, Walter Bornett. Ein typischer Dienstleistungsbetrieb mit einem Jahresumsatz zwischen 300.000 und 400.000 Euro und einem Mitarbeiter mit Mindestlohn erwirtschafte eine Umsatzrendite vor Steuern von 6.000 Euro jährlich. Wenn der Lohn der Mitarbeiterin um 400 Euro pro Monat angehoben würde, „dann ist dieser Gewinn weg“, rechnete Bornett vor. „Und Betriebe, die keine Gewinne erwirtschaften, sind nicht existenzfähig.“
Laut Scheichelbauer-Schuster ist Österreich bei den Mindestlöhnen „nach Luxemburg Europameister“. In Deutschland betrag der Mindestlohn 1.498 Euro, aber in Österreich sei man mit dem 13. und 14. Gehalt bei 1.750 Euro. In ein paar Branchen sei die Kluft einfach zu groß. Wenn es auch bei den kleinen und kleinsten Unternehmen einen Konjunkturaufschwung gebe, dann werde es mit dem Zieldatum 2020 keine Schwierigkeiten geben. Wenn nicht, werde man die Frist verlängern müssen.
2020 werde eine Evaluierungskommission, bestehend aus einem Arbeitgeber-, einem Arbeitnehmervertreter und dem Wifo, die Situation bewerten, erklärte der Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Reinhard Kainz. Allerdings werde es zur Evaluierung möglicherweise gar nicht kommen, weil man ja ständig miteinander in Kontakt sei und sich wohl im Vorfeld einigen werde.
In den von der Mindestlohn-Vereinbarung am meisten betroffenen Branchen seien 30.000 bis 45.000 Leute beschäftigt, sagte Scheichelbauer-Schuster. Zwar würden diese Beschäftigten nicht alle zum Mindestlohn bezahlt, aber es werde zu einer Parallelverschiebung auch bei den höheren Einkommen kommen. Die Betriebe der Sparte würden dadurch mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag belastet - „am oberen Ende der Zweistelligkeit“, so Kainz.
Die Spartenobleute der Wirtschaftskammer-Bundesparten Gewerbe und Handwerk, Handel, Tourismus und Freizeitwirtschaft, Verkehr und Transport sowie Information und Consulting begrüßen dennoch die Entscheidung von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, einen kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.500 Euro bis 2020 zuzusagen. Damit sei nämlich verhindert worden, dass die kollektivvertragliche Lohnvereinbarung auf Branchenebene durch einen gesetzlichen Mindestlohn ausgehebelt wird. „Im Parlament liegt schon ein Antrag auf 1.750 Euro Mindestlohn ab 2018. Das hätte viele Unternehmer schwer getroffen und hätte viele Arbeitsplätze gekostet“, warnten die Spartenobleute heute in einer Presseaussendung.
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