Altes Saatgut als Antwort auf den Klimawandel
Am einzigen „Forschungsbauernhof“ in Tirol sind die Vermehrung alter Landsorten und die Experimente bezüglich Klimaextreme voll im Gange.
Von Hubert Daum
Brennbichl –Aus einem Ideenpflänzchen wurde vor gut einem Jahr ein ausgewachsenes, in Tirol einzigartiges Projekt: der „Forschungsbauernhof“ in Brennbichl bei Imst. Ein Schulterschluss von Land Tirol und Universität Innsbruck mit dem Zweck, auf 3,2 Hektar Boden Saatgutvermehrung, wissenschaftliche Studien und Experimente durchzuführen. Gerade in diesen Tagen wird das Experimentiergelände auch emsig von Biologiestudenten heimgesucht.
„Im Prinzip haben wir das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben“, zeigt sich Andreas Tschöll von der Tiroler Genbank zufrieden, „1,8 Hektar haben wir seit vergangenem Herbst mit 87 Kartoffel-, vier Soja-, 17 Mais- und 162 Getreidesorten zur Vermehrung dieser alten Landsorten bebaut.“ Die Saatgutvermehrung, die erst nach vielen Jahren nennenswerte Mengen abwirft, diene auf diesen Flächen dazu, Vorstufensaatgut von regionalen Spezialitäten aus der Genbank für die eigentliche Saatgutvermehrung zu produzieren. Diese sollten im Anschluss auf größeren Feldern der Bauern angebaut werden. Tschöll weiter: „In der Wirtschaft orten wir starkes Interesse an alten Sorten, allerdings mangelt es an Flächen zur Vemehrung.“
Im Fokus der Forschung und Experimente liegt die Verträglichkeit alter Sorten auf die neuen Klimaextreme wie Sommerdürre und Extremniederschlag. Tirol habe mit der so genannten Genbank, mit rund 1000 Saatgutproben eine der umfangreichsten der Welt, einen ungeahnten Schatz zur Verfügung: „Wir könnten von den Saatgutkonzernen unabhängig sein“, so Tschöll, „die Menschen sind weiterhin aufgerufen, wenn sie beispielsweise im Haus alte Getreidesorten entdecken, uns zu informieren.“
Dieser Bereich ist natürlich auch Teil eines Biologiestudiums. Gleich an zwei Tagen war der Forschungsbauernhof letzte Woche Ziel einer Exkursion von viertsemestrigen Bio-Studenten. Die propagierte Symbiose von Forschung und Saatgutvermehrung wird also tatsächlich realisiert. Für Michael Traugott vom Institut für Ökologie ist das Versuchsareal eine einmalige Chance, seine Studenten in der Praxis auszubilden. Interessiert nahmen die Bachelors in spe den Aufbau des Bodens ins Visier, um sich dann anschließend in fünf Stationen mit Saatgut zu beschäftigen.
„Als Züchter machen wir von der Genbank den Anfang in der Saatgutproduktion“, so Tschöll, „wünschenswert wäre, dass wesentlich mehr Bauern die eigentliche Vermehrung übernehmen.“ Seit heuer gebe es nämlich die Möglichkeit, das Getreide an die „Tiroler Saatbau“ in Flaurling zu verkaufen. Darin sehe der „Anwalt für Saatgut“ eine Antwort auf die zunehmenden Wetterextreme.