Ungewöhnliches mikrobielles Leben auf der menschlichen Haut

Graz/Berkeley (Kalifornien) (APA) - Archaeen, früher auch Archebakterien genannt, trotzen extremen Bedingungen: Enorme Kälte, Hitze oder Tro...

Graz/Berkeley (Kalifornien) (APA) - Archaeen, früher auch Archebakterien genannt, trotzen extremen Bedingungen: Enorme Kälte, Hitze oder Trockenheit schadet ihnen nicht, sie leben in Salzseen, im Faulschlamm oder nahe heißer Quellen - und auf menschlicher Haut. Wie Forscher aus Graz und Kalifornien herausgefunden haben, besiedeln sie vor allem Kinder und ältere Personen und dürften bei der pH-Regulation der Haut beteiligt sein.

Rund neunzig Prozent der Zellen im menschlichen Körper sind Mikroorganismen - etwa 10.000 Arten von Mikroben leben in und auf unserem Körper, schilderte Christine Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Med-Uni Graz, gegenüber der APA. Die Kolonisierung des menschlichen Körpers beginnt bei der Geburt. Die Wechselwirkungen mit diesem sogenannten Mikrobiom des Menschen spielt eine wichtige Rolle für die Funktion und Gesundheit des Körpers.

Die Haut wird beispielsweise überwiegend von Bakterien, aber nicht nur, besiedelt. So haben Moissl-Eichinger in der mikrobiellen Vielfalt der menschlichen Schutzhülle bereits vor sechs Jahren urtümliche Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, entdeckt. In Kooperation mit Kollegen des Berkeley National Laboratory und der University of California hat die Mikrobiologin nun erforscht, ob die Häufigkeit von Archaeen auf der Haut vom Alter der Probanden abhängig sein könnte. Sie fanden nach der Analyse von Proben von rund 50 Studienteilnehmern zwischen einem und 75 Jahren heraus, dass vor allem Kinder unter zwölf Jahren und ältere Personen über 60 Jahre besonders viele Archaeen in hoher Artenvielfalt auf ihrer Haut trugen.

„In diesen beiden Gruppen sind es bis um das Achtfache mehr und machen bis zu elf Prozent sämtlicher auf der Haut befindlicher Mikroorganismen aus“, erklärte die Forscherin. Am häufigsten war laut Moissl-Eichinger die Gruppe der Taumarchaeota zu finden. In der Umwelt sind Taumarchaeota beim Stickstoffkreislauf eingebunden. Neben dem Einfluss des Alters zeigte sich, dass das Geschlecht keine Rolle spielt, aber dass Menschen mit trockener Haut mehr Archaeen haben.

Und hier scheint der Stickstoff-Stoffwechsel eine Rolle zu spielen: Sie könnten eine Rolle im Umsatz von Stickstoffkomponenten der Haut, wie etwa Harnstoff, spielen, vermutet Moissl-Eichinger. Zusätzliche Untersuchungen des Grazer Dermatologen Peter Wolf zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen vermehrten Archaeen auf der Haut und einem geringen Lipidhaushalt der Haut (Hauttrockenheit) gibt. Die Forscher vermuten, dass die Aktivität der Archaeen auf der Haut für die Anpassung des pH-Wertes zu einem - gesunden - leicht sauren Wert verantwortlich sein könnte. „In Zukunft würden wir gerne die physiologische Rolle der Hautarchaeen untersuchen, erforschen, welche Nischen sie im menschlichen Körper aufsuchen, und herausfinden, ob sie auch in pathogene Prozesse involviert sind“, so Moissl-Eichinger.

„Bis vor sechs Jahren wussten wir praktisch noch gar nicht, dass Archaeen überhaupt auf der Haut leben, da sie im Gegensatz zu Bakterien nicht so leicht nachzuweisen sind“, hob die Expertin hervor. In Graz bedienen sich die Forscher aufwendiger Computeranalysen auf Basis von DNA-basierter quantitativer PCR (Polymerase-Chain-Reaction) und Next-Generation-Sequencing. Das Know-how im Bereich des molekularen Nachweises und Kultivierung von extremophilen Mikroorganismen ist mittlerweile international bekannt: Ihr Labor dient im Rahmen des EU-geförderten Netzwerkprojekts „Europlanet“ als europäisches „Center for Life Detection“. Zusätzlich wurden die Proben mittels Infrarotspektroskopie in Kalifornien und am Synchrotron Elettra in Triest untersucht.

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