Eltern getötet: Angeklagter psychisch belastet, aber nicht krank
Wiener Neustadt/Perchtoldsdorf (APA) - Nach Zeugenbefragungen waren in dem Prozess um zweifachen Mord am Dienstag Experten am Wort. Dem psyc...
Wiener Neustadt/Perchtoldsdorf (APA) - Nach Zeugenbefragungen waren in dem Prozess um zweifachen Mord am Dienstag Experten am Wort. Dem psychiatrischen Sachverständigen Karl Dantendorfer zufolge lag bei dem Angeklagten keinerlei psychische Erkrankung, aber starke psychische Belastung vor.
Der Mann habe sein ganzes Leben damit verbracht, sich um andere zu kümmern, seine eigenen Bedürfnisse Tag und Nacht zurückgestellt und allen gezeigt, dass man sich auf ihn verlassen könne. „Er verzichtete immer“, so Dantendorfer. Dass dadurch möglicherweise eine unbewusste innere Spannung aufgebaut wurde, sei durchaus nachvollziehbar. Ein Tropfen (der schlechte Gesundheitszustand der Mutter nach einem Treppensturz, Anm.) habe dann das Fass zum Überlaufen gebracht, ortete der Psychiater einen Zusammenbruch des gesamten Lebenskonstrukts.
Der psychologische Gutachter Wolfgang Neuwirth attestierte dem 48-Jährigen übersteigerte Hilfsbereitschaft und Unterordnung. Nach der Tat bestand Suizidgefahr. Der Mann wird nach wie vor in der Psychiatrie betreut.
Beide Sachverständige hätten auf die psychische Überforderung ihres Mandanten hingewiesen, betonte Verteidigerin Astrid Wagner in der Mittagspause. Die Anwältin kündigte an, auf Totschlag plädieren zu wollen bzw. außerordentliche Milderungsgründe anzuführen.
Am Nachmittag gab Gerichtsmediziner Wolfgang Denk Auskunft über die Verletzungen der Opfer. Die im Bett tot aufgefundene 75-Jährige hatte durch stumpfe Gewalteinwirkung ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Sie hatte einen offenen Schädelbruch und klaffende Wunden am Kopf. Blutunterlaufungen an den Beinen und im Gesicht rührten von dem vorangegangenen Treppensturz her, die Verletzungen an den Armen aber von Versuchen, die wuchtigen Schläge mit dem Baseballschläger - laut Denk zumindest acht - abzuwehren.
Ihr Mann, leblos halb kniend an der Bettkante gefunden, wies „ebenfalls ein massives Verletzungsbild“ auf, berichtete der Gerichtsmediziner unter anderem von teilweisem Hirnaustritt und mehrfach zertrümmertem Kehlkopf. Den Blutspuren nach war es dem 85-Jährigen noch gelungen, sich nach dem ersten Angriff ein Stück vom Bett wegzubewegen, also zu flüchten. Er kassierte zahlreiche Schläge - vorne auf die Brust, auf den Hinterkopf, den Rücken.
Zur Pflegebedürftigkeit des getöteten Ehepaares meinte Denk, diese sei aus den Zeugenaussagen hervorgegangen. Aus medizinischer Sicht könne er die erlittenen Schlaganfälle des Pensionisten bestätigen, ebenso wie u.a. erhöhten Blutzucker, Inkontinenz, Taubheit sowie eingeschränkte Geh- und Sehfähigkeit. Der Mann befand sich in Pflegestufe drei. Die 75-Jährige litt an rheumatischen Gelenksbeschwerden. Bei einem Treppensturz zu Silvester zog sie sich unter anderem eine Schädelprellung zu.
Anschließend sollte den Geschworenen ein zweistündiges Video der Tatrekonstruktion im Wohnhaus in Perchtoldsdorf gezeigt werden. Es war geplant, noch heute zu einem Urteil zu kommen, was aber erst am Abend der Fall sein dürfte.