Weltpolitik

Kehrtwende: Brasiliens Präsident reist doch zum G20-Gipfel

Brasiliens Präsident Michel Temer.
© REUTERS/Ueslei Marcelino

Erst sagt Brasiliens unter Korruptionsverdacht stehender Präsident Michel Temer seine Teilnahme am G20-Gipfel ab - doch das wirft erst recht ein Schlaglicht auf das Chaos in der Regierung. Nun wird er doch fliegen.

Brasilia – Nachdem Brasiliens Präsident Michel Temer seine Gipfelteilnahme zunächst abgesagt hatte, wird er nun doch zum Treffen mit den G20-Kollegen nach Hamburg reisen. Das bestätigte am Dienstag das Außenministerium in Brasilia. Temer reise vom 6. bis 8. Juni nach Hamburg - es ist seine erste Reise nach Deutschland als Präsident.

Er war vergangene Woche von Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot wegen Korruptionsverdacht als erster Präsident während der Amtszeit angeklagt worden. Der drohende Amtsverlust war als Grund für seinen zunächst erklärten Verzicht auf die G20-Reise angeführt worden.

Er muss fürchten, dass sich bei einer längeren Abwesenheit bisherige Verbündete gegen ihn verschwören. Die Regierung ist gelähmt, geplante Reformen wie die des Arbeitsmarktes werden durch den Skandal immer schwerer durchsetzbar. Wie das Portal „O Globo“ berichtete, sei Temer von führenden Beratern davon überzeugt worden, dass er bei dem Treffen eigentlich nicht fehlen könne - zudem wolle er den Eindruck vermeiden, dass seine Regierung nicht mehr handlungsfähig sei.

Strafverfahren liegt beim Abgeordnetenhaus

Das Hin und Her spiegelt das aktuelle politische Chaos wieder. Die Entscheidung über das Strafverfahren gegen Temer am Obersten Gerichtshof liegt beim Abgeordnetenhaus.Dazu müssten zwei Drittelzustimmen - mindestens 342 der 513 Parlamentarier. In der Folge könnte Temer zunächst für ein halbes Jahr des Amtes enthoben werden. Janot beschuldigt Temer, Schmiergeldzahlungen akzeptiert und zugunsten des größten Fleischkonzerns der Welt, JBS, Einfluss auf die Wettbewerbsbehörde genommen zu haben. Zudem geht es um den Vorwurf von Schweigegeldabsprachen, damit ein Mitwisser nicht auspackt.

Temer hatte als Vizepräsident 2016 die Macht nach der Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff übernommen. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf sieben Prozent gesunken. Brasilien ist nur noch die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt, denn seit 2015 brach die Wirtschaftsleistung um 7,4 Prozent ein. Knapp 14 Millionen Menschen sind arbeitslos. Die Regierung will zur Überwindung der Krise verstärkt neue Investoren anlocken und darüber hinaus neue Handelsbündnisse schmieden - auch dafür käme der G20-Gipfel gelegen.

Brasilien war bisher auch ein wichtiger Verbündeter für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sachen Klimaschutz. Der Kampf gegen die Abholzung im Amazonas-Regenwald stand auch im Fokus der ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen 2015 - damals noch mit Rousseff. Nach Jahren des Rückgangs nimmt die Abholzung wieder massiv zu. Zudem will die Temer der Agrarwirtschaft neue Flächen zur Verfügung stellen. Dafür sollen Schutzgebiete aufgeweicht werden. (dpa)