Zwischen Schein und Sein: Tipps für innere Schönheit
Äußere Schönheit macht auf Dauer nicht glücklich, dafür sollte man auf Eros und die Stoiker setzen: Rebekka Reinhard gibt Tipps für innere Schönheit und entstaubt beim Medicinicum in Lech die Philosophie.
Um äußere Schönheit und ewige Jugend findet heutzutage ein Tanz wie um das goldene Kalb statt. Wie konnte es so weit kommen?
Rebekka Reinhard: Wir leben in einer Welt der Bilder und längst nicht mehr in einer Welt des Textes. Unaufhörlich prasseln dank des Internets und der sozialen Medien gerötete Lippen, gebleichte Zähne und glänzende Muskelpakete auf den konsumwilligen Menschen ein. Diese Bilder sind es, die natürlich gerade auf die Frauen den Druck der Selbstoptimierung erhöhen, das sie ja immer noch das schönere Geschlecht darstellen müssen.
Jetzt sind ja sehr viele Menschen bereit, sehr viel zu tun, um schön und jung zu werden bzw. zu bleiben. Doch macht diese Selbstoptimierung auch glücklich?
Reinhard: Das Problem ist, dass dieser Druck nach immer mehr verlangt, dass die Grenze nach oben offen ist. Zudem gilt heutzutage die Devise, wer schön sein will, muss leisten – sprich: Wer leistungsstark und erfolgreich in der Gesellschaft etwas darstellen will, der muss ein attraktives Äußeres präsentieren. Denn wer alt wirkt und ungesund, der wird schnell outgesourct.
Insofern macht der Versuch, dem gerecht zu werden, nicht wirklich glücklich. Dazu kommt, dass dieses äußere Schönheitsideal aus philosophischer Sicht mit wahrer Schönheit nichts zu tun hat.
Jetzt sind wir schon mittendrin im Thema. Was raten Sie als Philosophin, um sich dieser Bilderflut, wie Schönheit auszusehen hat, zu widersetzen?
Reinhard: Man muss sich von diesen Bildern emanzipieren, aber das ist natürlich nicht leicht. Denn es heißt, dass man sich lebenslang darum bemühen muss, inneren Reichtum, innere Schönheit anzuhäufen. Ein gewisser Gegentrend zu dem momentanen Schönheitswahn ist aber bereits spürbar: Das ist der Trend der Authentizität, obwohl sich der gegen den Mainstream der Heidi Klum und der Kim Kardashian noch wenig durchsetzen kann.
Wie sieht aber innere Schönheit aus?
Reinhard: Innere Schönheit erreicht man mit Eros, allerdings nicht mit Eros in dem Sinne, wie ihn die heutige Bilderwelt versteht – nicht im Sinne von Porno-Kitsch. Sondern es geht um Eros im platonischen Sinne.
Eros war ein griechischer Gott und für Platon ein Wesen, das die Einheit des Schönen, des Wahren und Guten darstellt. Eine erotische Frau ist also eine, die ein guter Mensch ist, die um Herzensbildung bemüht ist, die um der Liebe und der Wahrheit willen immer dazulernen will. Die mutig ist, auch einmal zu scheitern, und die in das Leben eintaucht. All das kommt unserem inneren Reichtum, unserem Eros, zugute. Und das kann man einem Menschen auch vom Gesicht ablesen.
Heutzutage scheint allerdings viele Menschen der Mut verlassen zu haben. Sie sind ängstlich, misstrauisch. Wie kann man angesichts scheinbar unsicherer Rahmenbedingungen trotzdem bei sich bleiben?
Reinhard: Man muss sich fragen: Was ist wirklich wichtig, wofür lebe ich? Und man darf sich nicht nur um den eigenen Bauchnabel drehen. Die griechischen Philosophen, speziell die Stoiker, würden sagen, der Mensch muss lernen, Haltung zu zeigen. D. h. man sollte kein Weichei sein, nicht egozentrisch sein, sondern lernen, trotz der Widrigkeiten und der Unübersichtlichkeit und der wahnsinnigen gesellschaftlichen Veränderungen tugendhaft zu leben.
Die Stoiker stehen auch für folgende Weisheit: Lerne zu unterschieden, was in deiner Macht steht, zu tun bzw. zu verändern, und was nicht. Alles, was nicht in deiner Macht steht, zu verändern, akzeptiere mit heiterer Gelassenheit.
Aber sind die alten Denker heutzutage nicht verstaubt und daher kein Thema mehr? Oder können Platon, Aristoteles und alle anderen wirklich weiterhelfen, wie Sie meinen?
Reinhard: Im Gegenteil, die klassischen griechischen Philosophen erleben derzeit eine Renaissance. Im Silicon Valley etwa – bei den erfolgreichen Internet-Unternehmen – sind die Stoiker groß angesagt. Weil man merkt, dass diese grundsätzliche, tiefe Wahrheiten vermitteln, die einem helfen, sich zu zentrieren und nicht zu verlieren in dieser superkomplexen Welt. Die Stoiker, die übrigens meine Lieblingsphilosophen sind, haben auch immer gesagt, dass das Leben eine Übung ist, ein Experiment. Und dass es darum geht, die Welt ein bisschen weiser zu verlassen, als man sie betreten hat.
Das Interview führte Irene Rapp