Herbie Hancock oder die sehr erträgliche Leichtigkeit des Seins
Wien (APA) - „Ich glaube, ich lebe hier, weil ich schon so oft da war „ - ein verschmitztes Kompliment an die Staatsoper und das Wiener Publ...
Wien (APA) - „Ich glaube, ich lebe hier, weil ich schon so oft da war „ - ein verschmitztes Kompliment an die Staatsoper und das Wiener Publikum war der Opener des Konzertes von Jazz/Fusion-Altmeister Herbie Hancock am Dienstagabend beim Jazzfest im Haus am Ring. Nachsatz mit Geste zur Bühne: „Ich sollte da eigentlich schon ein Bett haben.“
Nur: wozu? Denn der Auftritt von Hancock mit seinem Quintett war alles andere als einschläfernd. 77 Jahre ist der Mann - und er darf schon lange in die Schublade „Legende“ eingereiht werden. Doch wenn Hancock in die Tasten greift, dann fliegt er virtuos drüber, spritzig und gelenkig wie ein Junger, aber mit Erfahrung und Groove, wie sie eben nur ein Altmeister besitzt.
Und er werkt nicht nur immer noch mit Freude am Spiel, sondern auch mit seinen exquisiten Mitspielern: Vinnie Colaiuta an den Drums, Lionel Loueke aus Benin an der Gitarre, James Genus am Bass und Terrace Martin an Keybords, Altsaxofon, Vocoder und in der Funktion des musikalischen Direktors. Da laufen nicht nur die Melodien hin und her, da läuft sichtlich bestens passende „Chemie“.
Herbie Hancock war ja sound- und stilmäßig immer schon ein Innovator. So wundert es auch nicht, dass er selbst - eingebettet in seine High Tech-Keyboard-Umgebung - immer noch ständig Synthesizer-Klangwelten unterschiedlichsten Charakters erstehen lässt. Aber auch Louekes E-Gitarre klingt meistens eher wie von Aliens - meisterhaft - bedient. Das alles auf dem äußerst soliden Fundament von Genus‘ Bassläufen und vor allem Colauitas feinsinnigem Schlagwerk.
Manchmal reizt das Quintett die Soundgrenzen doch ein bisschen sehr aus. Aber wenn auch manche Fäden kurzzeitig ein bisschen verloren erscheinen, holen die fünf den Klangteppich doch immer wieder auf den Boden zurück, so etwa mit dem 1974er-Klassiker „Actual Proof“. Und vor allem mit jenen Passagen, in denen Hancock auf den Computer-Schnickschnack verzichtet und über die Tasten des Konzertflügels wirbelt.
Die ganz populären „Hadern“ - etwa „Watermelon Man“ und „Rockit“ - hat der Altmeister seinem Wiener Publikum diesmal leider vorenthalten. Aber zum Ende des regulären Sets bot das Quintett doch auch festen Harmonie-Grund mit „Cantaloop Island“. Und bei der Zugabe wurde es ziemlich funkig: Der 77-Jährige packte seinen portablen Roland AX Synth aus, „duellierte“ sich solo-mäßig mit seinem Gitarristen Lionel Loueke und beendete den Abend mit einem fast jugendlich-eleganten Bühnensprung zum Schlussakkord.