Tiefschwarze Komödie: Horvaths „Zur Schönen Aussicht“ in Reichenau
Reichenau (APA) - Einen markanten Kontrapunkt zu Ibsen, Schnitzler und Lawrence setzen die Festspiele Reichenau mit ihrer diesjährigen viert...
Reichenau (APA) - Einen markanten Kontrapunkt zu Ibsen, Schnitzler und Lawrence setzen die Festspiele Reichenau mit ihrer diesjährigen vierten Produktion. Regisseur Michael Gampe inszeniert im Neuen Spielraum Ödön von Horvaths als Komödie bezeichnetes, jedoch tiefschwarzes Stück „Zur Schönen Aussicht“ aus dem Jahr 1926 und liefert ein treffsicheres Szenario korrumpierter Moral und charakterlicher Verkommenheit.
Premiere war am Dienstagabend (die vorliegende Kritik bezieht sich auf die Hauptprobe vom vergangenen Samstag). Gespielt wird bis 4. August.
Ein heruntergekommenes Hotel in den Bergen ist der Schauplatz für das Zusammentreffen von abenteuerlichen Gestalten - ein Schauplatz, für den es auch 90 Jahre später durchaus reale Entsprechungen gibt. Peter Loidolt hat ihn sparsam mit einigen Versatzobjekten bestückt: ein paar Sessel, ein Holztisch, ein Rundum-Samtsofa. Und die Schwingtüre, die sich donnernd öffnet und meist vom Wetter durchnässte Menschen ins Innere schleudert. Den Vertreter Müller etwa (Thomas Kamper gibt ihn bedrohlich martialisch), der erfolglos Schulden eintreiben kommt, den Baron von Stetten (Peter Matic in einer weiteren Paraderolle als soignierter, wenngleich auf verlorenem Posten agierender Aristokrat) und schließlich Christine (wohltuend schlicht: Johanna Prosl), sehr unwillkommen für den zwielichtigen Hoteldirektor Strasser (David Oberkogler), ist er doch der Vater ihres Kindes.
Den schmierigen Kellner Max spielt Nicolaus Hagg ganz ausgezeichnet, Philipp Stix gibt den proletoid-brutalen Chauffeur Karl, Therese Affolter brilliert als exaltierte Freifrau von Stetten, die - als einziger Gast des Hauses - meint, alle Anwesenden als leibeigene Sklaven halten zu können. Welche Gemeinheiten man einander in bitterbösen Dialogen entgegen schleudert und wie Mitwisserei über allerlei Vorleben als Druckmittel verwendet wird, tritt ebenso zutage wie das Einigungspotenzial von Gewaltbereitschaft, in diesem Fall gegenüber der jungen Frau. Bis diese ihre wahren ökonomischen Verhältnisse outet und den unseligen Ort verlässt. Geld regiert eben die Welt, und wen Gott zufällig liebt, den macht er reich. Christine bringt es auf den Punkt: „Er hilft nur ab und zu, die meisten dürfen verrecken.“ Schöne Aussichten eben.
(S E R V I C E - Festspiele Reichenau, Neuer Spielraum: Ödön von Horvaths „Zur Schönen Aussicht“. Regie: Michael Gampe, Mit: Nicolaus Hagg, Philipp Stix, Thomas Kamper, David Oberkogler, Peter Matic, Therese Affolter und Johanna Prosl. Vorstellungen bis 4. August, allfällige Restkarten und Information: www.festspiele-reichenau.com)